Die Liebe deines Lebens
so viel wie möglich wieder ein. In unserem Übereifer stießen Adam und ich mit den Köpfen zusammen.
»Autsch!«, lachte ich, und Adam rieb mir den Kopf.
»Sorry«, sagte er leise und mitfühlend. Als er mich mit seinen großen blauen Augen ansah, schmolz ich dahin, und ich merkte, dass ich gern für immer mit ihm in diesem winzigen Raum voll Liebe geblieben wäre. Der Gedanke erregte mich, brachte mich zum Glühen, und es war schön, wieder einmal jemanden toll zu finden. Es war lange her, und nach Barry hatte ich Angst gehabt, nie wieder etwas für jemanden zu empfinden, aber siehe da, es lebte noch in mir, dieses Knäuel aus Nervosität und freudiger Erregung, und rührte sich jedes Mal, wenn Adam mich anschaute. Aber dann wurde mir plötzlich die Situation bewusst, und das Knäuel rollte davon und verschwand in einer Ecke.
»Alles okay?«, fragte er leise.
Ich nickte.
»Gut«, meinte er mit einem kleinen Lächeln, und wieder hatte ich das Gefühl, von Kopf bis Fuß zu vibrieren, als stünde ich unter Strom.
Aber dann merkte ich, dass Amelia, die neben mir stand, auf einmal ganz still geworden war. In der Annahme, dass sie mitbekommen hatte, was zwischen uns passierte, blickte ich auf. Doch dann sah ich die Tränen, die ihr über die Wangen rollten, während sie den Brief las, den sie in der Hand hielt. Rasch stand ich auf.
»Amelia, was ist los?«
»Meine Mutter.« Sie gab mir den handgeschriebenen Brief. »Meine Mutter war nicht meine Mutter.«
Amelia, Elaine und ich saßen in Amelias Küche. Adam war in meine Wohnung zurückgekehrt, mit der strikten Anweisung, das Fünfzehnhundert-Teile-Puzzle, das ich ihm gekauft hatte, fertigzumachen. Das Puzzle nach einem Ölgemälde von stürmischer See, das ich jeden Tag eine Stunde lang mit ihm zusammengesetzt hatte, hatte ihm überhaupt nicht zugesagt, deshalb hatte ich online ein neues mit dem Bild einer nackten Frau am Strand bestellt, und es war praktischerweise heute Morgen angekommen. Vermutlich würde er nicht mit dem Rand anfangen.
Ich las den Brief von Amelias Mutter noch einmal laut vor.
Mein liebes Baby Amelia,
es tut mir so leid, dass ich nicht für Dich sorgen kann. Wenn Du älter bist, wirst Du hoffentlich verstehen, dass ich diese Entscheidung nur aus Liebe und aus keinem anderen Grund getroffen habe. Ich vertraue darauf, dass Du in den liebevollen Armen von Magda und Len Geborgenheit finden wirst. Ich werde immer an Dich denken.
In ewiger Liebe,
Deine Mummy
Amelia wanderte nervös auf und ab. Ihr Schock hatte sich erst in Trauer und dann in einen ungemütlich bissigen Ärger verwandelt, und man musste genau aufpassen, was man zu ihr sagte. Elaine befühlte die Sachen in der Schuhschachtel, Babyschuhe, ein Jäckchen, eine Mütze, ein Kleid, eine Rassel und noch ein paar andere Kleinigkeiten.
»Das ist alles Handarbeit«, stellte sie fest.
»Na und?«, fuhr Amelia sie an. »Darum geht es hier doch überhaupt nicht.«
»Na ja, es ist immerhin Kenmare-Spitze.«
»Wen kümmert es bitte schön, was für eine Spitze das ist?«, gab Amelia zurück.
»Kenmare-Spitze ist total selten, und da sie aus den siebziger Jahren stammt, gibt es eigentlich nur eine einzige Möglichkeit, woher sie kommen könnte.«
Amelia blieb stehen und sah Elaine an, während sie die Nachricht verdaute.
»Nun mal langsam«, schaltete ich mich ein, denn ich hatte das Gefühl, diesem Irrsinn ein Ende bereiten zu müssen. »Lasst uns nichts überstürzen. Die Spitze kann doch sonst wo hergestellt worden sein. Elaine, wir sollten Amelia keine falschen Hoffnungen machen, dass sie ihre Eltern findet.«
»Dass ich meine Eltern finde?«, flüsterte Amelia überrascht, als wäre sie gerade erst auf den Gedanken gekommen. Anscheinend war sie so in die Frage vertieft gewesen, warum ihre Adoptiveltern ihr das alles vorenthalten hatten und wie sie es fertiggebracht hatten, sie so lange anzulügen, dass sie noch gar nicht auf die Idee gekommen war, dass sie ihre leiblichen Eltern suchen könnte.
»Ich sage ja nur, dass es Kenmare-Spitze ist. Das weiß ich, weil ich mal einen Kurs im Spitzenklöppeln gemacht habe, um Männer kennenzulernen. Die Sachen sind liebevoll und sorgfältig gemacht, alle, und jede Masche deutet nach Kenmare. Die Spitze ist Kenmare-Spitze, und die Wollsachen sind von Quills, einem Laden in Kenmare.«
»Man kann doch unmöglich erkennen, dass die Stricksachen von Quills sind«, wandte ich ein, voller Eifer, diese lachhafte
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