Die Liebe deines Lebens
lachten.
»Brenda hat tolle neue Schuhe«, erzählte Dad. »Schwarze Peeptoes mit unglaublich hübschen kleinen Perlen.«
Dad hatte ein großes Faible für Damenschuhe. Früher war er gern mit uns shoppen gegangen oder hatte uns für besondere Anlässe sogar Schuhe als Überraschung mitgebracht. Und sein Geschmack war gar nicht übel. Da war er ein bisschen wie ein Schwuler im Körper eines hundertprozentig heterosexuellen Mannes. Dad liebte Frauen, er liebte ihre Art zu denken, verbrachte seine gesamte Arbeitszeit mit Frauen, hatte immer mit Frauen zusammengewohnt – einschließlich seiner Tanten – und respektierte Frauen ohne Vorbehalt. Er schätzte ihr Verhalten und ihre Vorlieben, ihre zarten Zwischentöne, ihr Bedürfnis nach Schokolade, wenn sie ihre Tage hatten – er hatte unsere Zyklen im Kopf, vermutlich lernte man das, wenn man drei Töchter alleine großzog –, und er bemühte sich nach Kräften, die weiblichen Hormonschwankungen ebenso zu verstehen wie den Drang, Gefühle und Ereignisse durchzudiskutieren und zu analysieren.
»Was bringt euch eigentlich zu der Überzeugung, dass ihr auf diese Party geht?«, fragte ich, überrascht, dass anscheinend alle drei ganz selbstverständlich davon ausgingen.
»Er hat uns eingeladen, als er hier war, hast du das etwa vergessen?«, sagte Dad. »Und du glaubst doch nicht, dass wir uns so eine Fete entgehen lassen.«
»Es wird wohl kaum die Feier des Jahres. Er wird ja erst fünfunddreißig.«
»Schon, aber an dem Abend wird verkündet, dass er
Basil’s
übernimmt, was eine große Sache ist, denn Dick Basil hat das Unternehmen über vierzig Jahre regiert – sein Vater hat ihm die Firma überlassen, als er gerade mal einundzwanzig war. Stellt euch mal diese Verantwortung in einem so jugendlichen Alter vor«, sagte Dad. »Wusstet ihr, dass
Basil’s
seine Produkte weltweit in vierzig Länder exportiert? Sie machen allein hundertzehn Millionen Euro an Inlandsumsatz und führen jedes Jahr in Irland hergestellte Schokolade im Wert von über zweihundertfünfzig Millionen Euro aus. Da solltest du lieber glauben, dass es eine große Sache ist. Außerdem werden in der Firma ausschließlich regionale Zutaten verwendet, was heute ja wichtiger ist denn je. Bestimmt kommt der Ministerpräsident. Er und Dick Basil sind gut befreundet. Wenn er nicht in der Stadt ist, vertreten ihn sicher der Außenund der Wirtschaftsminister, vielleicht auch der Arbeitsminister.« Dad klatschte in die Hände. »Auf alle Fälle wird es hoch hergehen an dem Abend, und ich freue mich schon darauf.«
Ich schluckte. »Wo hast du das denn alles gehört?«
»Ich hab es in der
Times
gelesen. Auf der Wirtschaftsseite.« Dad hielt mir die Zeitung unter die Nase und ließ sie dann wieder auf den Tisch fallen. »Dein Knabe erbt praktisch eine ganze Dynastie.«
»Er will sie aber nicht«, sagte ich leise, und wieder erfasste mich die Angst um Adam. »Deshalb kümmere ich mich ja um ihn. Wenn er die Firma wirklich übernehmen muss, dann bringt er sich nämlich um. Und zwar in der Nacht der Party.«
Schweigend starrten mich alle an.
»Na, dann hast du noch genau sechs Tage, um daran zu arbeiten«, sagte Dad und lächelte mich aufmunternd an. »Mein liebes Nesthäkchen, ich werde dir den besten Rat geben, den ich dir in deinem kurzen Leben je gegeben habe.«
Ich machte mich auf alles gefasst.
»Ich schlage vor, du machst diesen Sexsüchtigen ausfindig.«
Während Adam mit seinem Laptop bei meinem Vater im Büro saß – ich hatte Dad strikt angewiesen, keine unangemessenen Kommentare von sich zu geben –, befand ich mich im Wartezimmer von Leo Arnold, meinem ehemaligen Klienten, der vor meiner Trennung meine sexuellen Phantasien beherrscht hatte. Ich hatte mir nie auch nur eine Sekunde gewünscht, dass diese Phantasien wahr würden – es waren einfach nur Phantasien, mit denen ich meine Gedanken beschäftigte, wenn die Realität sich allzu trist anfühlte. Leo war nicht einmal mein Typ. In der Realität bestand zwischen uns keinerlei Anziehung, ich hatte mir einen völlig anderen Leo Arnold ausgedacht, einen, der Termine für spätabendliche Therapiestunden mit mir vereinbarte und bei mir im Büro auftauchte, weil er es nicht mehr aushalten konnte, manchmal sogar, wenn draußen ein Klient auf mich wartete. Ich wurde rot, wenn ich an all die lächerlichen Geschichten dachte – jetzt, wo ich in seinem Wartezimmer saß, jetzt, im wirklichen Leben.
»Christine!« Auf einmal erschien
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