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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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und ergab sich einem heftigen Schluchzen.
    Dora ließ die Worte lange auf sich wirken. Schließlich erkundigte sie sich mit brüchiger Stimme: »Ist außer Urban noch jemand zu Schaden gekommen? Einer der Maurer oder ein anderer der Bauleute?«
    Mathilda wischte sich die nassen Wangen, schluchzte noch einige Male auf, um unter den weiter rege fließenden Tränen mühsam zu erklären: »Einer der Kunstdiener ist direkt von den Trümmern erschlagen worden. Die Knechte wussten lange nicht, wen sie außer Eurem Gatten noch unter den Steinen suchen sollten. In dem Aufruhr hat jeder einfach blindlings losgewühlt, um zu retten, was noch zu retten war. Als Ihr zusammengebrochen seid, wurde die Unruhe noch größer. Mehrmals habt Ihr wohl nach Eurem Bruder und seinem Freund gefragt. Da erst ist den meisten aufgefallen, nichts Genaues über den Verbleib der beiden zu wissen. Ob einer Jörg an diesem Tag überhaupt auf der Baustelle gesehen hat, stand plötzlich ganz in Frage. Singeknecht dagegen war natürlich da und hatte die Arbeiten beaufsichtigt. Nach einer halben Ewigkeit ist einer der Knechte tiefer durch das Geröll vorgedrungen und hat die beiden wie durch ein Wunder nahezu unversehrt in einer Nische entdeckt. Lediglich einige Kratzer sowie riesige Mengen Staub, den sie eingeatmet haben, hatten sie zu beklagen. In dem Freudentaumel über ihre unverhoffte Rettung hat Miehlke dann den trefflichen Einfall gehabt, alle Anwesenden durchzuzählen. Damit wurde endlich das ganze Ausmaß klar – ein toter Kunstdiener und ein schwerverletzter Bauherr, von dem niemand sagen konnte, ob er das Unglück überstehen wird oder nicht.«
    Sie hielt inne, faltete die Hände vor der Brust und senkte den Blick. Eine unerträglich lange Weile verharrte sie reglos in dieser Position. Dora besah sich unterdessen wieder Urban. Nichts hatte sich an ihm verändert. Wie gern würde sie das Federbett zurückschlagen, seinen geliebten Leib betrachten, um zu wissen, woran er genau litt. Bestand vielleicht doch eine Möglichkeit, das Geschehene ungeschehen zu machen?
    »Was hat der Wundarzt gesagt?«, fragte sie. »Schickt nach Aurifaber. Des Herzogs Leibarzt soll auf der Stelle kommen. Immerhin geht es um Urban Stöckel, einen der engsten Gefährten Albrechts.«
    Die plötzlich aufwallende Erregung raubte ihr den Atem. Sie ballte die Hände zu Fäusten, spürte seltsamerweise eine gewaltige Wut auf den Herzog, der seinen treuen Gefährten in den letzten Monaten so schmählich behandelt hatte. Damit hatte das gesamte Unheil doch erst seinen Lauf genommen. Übertrug ihm nach viel zu langem Zögern ein Grundstück ganz am Ende der Junkergasse. Längst wurde da das Gelände sumpfig und die Gegend weniger ansehnlich als im vorderen Teil, wo weitaus weniger verdiente Hofbedienstete wie eben der Medicus Aurifaber oder der Buchdrucker Weinrich ansässig waren. Ihre Stimme glich einem heiseren Krächzen. Sie fasste sich an die Kehle. Dabei gewahrte sie, nach wie vor lediglich mit dem Hemd bekleidet zu sein. Erschrocken fürchtete sie, man könne darunter ihren verräterisch gewölbten Unterleib erkennen. Rasch legte sie die Hand darüber.
    »Geistesgegenwärtig hat Miehlke gleich nach dem Zusammensturz der Mauer einen der Lehrjungen nach Hilfe schicken lassen. Aurifaber war sofort auf der Baustelle, auch Wundarzt Vogel aus dem Tragheim war in Windeseile da. Sobald Urban aus dem Trümmerfeld geborgen war, haben ihn Aurifaber und Vogel noch an der Unglücksstelle untersucht und seine behutsame Überführung in den Mühlenberg angeordnet. Ihr selbst wart lange nicht bei Bewusstsein.« Sie schenkte ihr einen zweideutigen Blick. »Deshalb habt Ihr wohl nichts davon mitbekommen. Kurz bevor Ihr heruntergekommen seid, haben uns die beiden Herren verlassen und gebeten, einen Priester zu rufen.«
    »Was?« Doras Stimme überschlug sich. Wieder stieg bedrohliche Schwärze vor ihren Augen auf, kaum konnte sie sich aufrecht halten. Sie tastete sich vorsichtig bis zum Bettpfosten vor, umklammerte ihn wie eine Ertrinkende den rettenden Holzstamm. Es dauerte eine Weile, bis ihr die Bedeutung des gerade Vernommenen ins Bewusstsein drang. Ein ziehender Schmerz machte sich in ihrem Unterleib bemerkbar. Schützend presste sie die Hand fester darauf und krümmte sich leicht zusammen. Mathilda zog die Augenbraue hoch, betrachtete sie mit stark gerunzelter Stirn. »Ja, ich bin schwanger«, erklärte sie tonlos. »Bitte geht jetzt und lasst mich mit meinem Gemahl allein.«

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