Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
Vom Netzwerk:
Rückreisemöglichkeit für die Base zu erkundigen. Wieder tastete sie nach ihrem Felleisen, befühlte sowohl Urbans Notizheft wie auch das Werkmeisterbuch. Da sie nächtens ein Bett mit Mathilda teilte, hatte sich noch kaum eine Gelegenheit für sie ergeben, wieder darin zu lesen. Wie sehnte sie sich danach, die gerade gewonnenen eigenen Eindrücke von der Marienburg mit Laurenz Seleges Aufzeichnungen zu vergleichen. Ganz zu schweigen von Veits Brief, den sie zwischen den Seiten des Urahns aufbewahrte. Nacht für Nacht rief sie sich seine Zeilen in Erinnerung, gedachte der von ihm eher beiläufig erwähnten Tatsache, dass auch sein Vater ab Juni in Krakau weilen würde. Ihr Herz begann zu rasen. Wenn alles gutging, traf sie in etwas mehr als drei Wochen ebenfalls dort ein. Dann war es nur noch eine Frage von Tagen, bis alles aufgeklärt war. Ebenso schnell würde sie wieder zurück in Königsberg sein, um Johanna an ihr Herz zu drücken.
    »Ich reise überall dorthin, wohin meine Base reist«, stellte Mathilda unterdessen klar. »Noch auf dem Sterbebett habe ich meinem Vetter versprochen, stets für sie da zu sein.«
    Dieses Mal gelang es Dora nicht, ihren Unmut hinunterzuschlucken. Ihr Seufzer war so laut, dass Polyphemus geistesgegenwärtig zu husten begann, um davon abzulenken. Dennoch hatte die Base begriffen, wie es in Wahrheit stand. Abermals legte sie ihre Stirn in Falten, maß Dora mit einem vernichtenden Blick.
    »Ihr werdet mir zustimmen, meine Herren, eine blutjunge Witwe wie sie bedarf des ganz besonderen Schutzes. Gerade auf einer so gefährlichen Reise, die mitten durch Polen führt, sollte sie jemanden zur Seite haben, dem sie voll und ganz vertraut.«
    »Wie selbstlos von Euch, ihr diesen Schutz zu gewähren.« Erneut konnte Polyphemus seinen Spott kaum verbergen. »Dabei habt Ihr noch kurz vor der Abreise meiner Gemahlin versichert, Euer Leben ganz dem Wohl der kleinen Johanna zu widmen. Erst im letzten Moment habt Ihr Euch anders entschieden. Das wird Euch alles andere als leichtgefallen sein.«
    »Ihr sagt es«, stimmte Mathilda zu. »Selbstverständlich fühle ich mich für beide verantwortlich. Allein der grenzenlosen Güte Eurer Gemahlin ist es zu verdanken, dass es mir gelungen ist, einen Ausweg aus der verzwickten Lage zu finden. Bei ihr weiß ich Johanna in besten Händen. Sie wird sich um das Kind kümmern, als wäre es ihr eigenes.«
    »Elßlin ist Johannas Amme.« Dora konnte nicht mehr länger an sich halten. »Katharina König weiß, wie nah sie meiner Tochter steht. Ebenso wird sie Renata beistehen, die sich um den Haushalt kümmert. Das habe ich mit ihr so vereinbart.«
    In den letzten Satz legte sie ganz besonderen Nachdruck. Mathilda sollte spüren, wer nach Urbans Tod im Haus am Mühlenberg das Sagen hatte. Noch einmal schaute sie die Base warnend an. Zugleich wuchs in ihr die Einsicht, dass es womöglich doch eine gute Fügung des Schicksals gewesen war, Mathilda mit auf die Reise zu schicken. So waren zumindest Johanna, Elßlin und Renata vor ihr sicher.
    Sie erreichten das Stadttor. Die Wachleute prüften ihre Papiere, befragten erst den Fuhrmann, dann Steinhaus, musterten argwöhnisch die bewaffneten Begleiter, bevor sie sie durchwinkten.
    Als sie in die Straßen Marienburgs einbogen und schließlich zu den Lauben vor dem Rathaus gelangten, atmete Dora erleichtert auf. Dank der ausführlichen Beschreibung in Laurenz Seleges Buch fühlte sie sich in der Stadt sofort heimisch. Zugleich spürte sie: Je näher sie den Stätten kam, die ihr Ahn vor mehr als drei Menschenaltern so ausführlich geschildert und teilweise sogar mit erbaut hatte, je näher kam sie der eigenen Geschichte und nicht zuletzt auch der Urbans. Wie sich an den Häusern und Burgen ein Stein auf den anderen fügte, so fügte sich auch jede einzelne ihrer Geschichten mehr und mehr zu einem ausgewogenen Ganzen, auf dem sich letztlich die Zukunft bauen ließ.

Zweiter Teil
(2)
    Königsberg und Krakau
    Frühjahr/Sommer 1546
    8
    D ie Morgendämmerung war lange vorbei. Mathilda wurde unruhig, trommelte mit den Fingern auf die sauber gescheuerte Holzplatte des Tisches, schaute umher. Längst saß sie allein in dem Gasthaus am Markt von Marienwerder. Der letzte Gast, der vorhin noch am Tisch gleich bei der Tür sein morgendliches Mus gelöffelt und sich ein erstes Bier gegönnt hatte, war gerade gegangen. Eine beredte Stille hing in der Luft. Noch immer wartete Mathilda auf die Rückkehr ihrer Mitreisenden. Unfassbar,

Weitere Kostenlose Bücher