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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Kunstwerke allein von Menschenhand geschaffen sind und dass ihr Bewahren ebenfalls auf Können aus Menschenhand beruht«, setzte Polyphemus hinzu.
    »Von Gott allein aber stammt die Gnade, dass Menschenhände überhaupt zu solchen Leistungen fähig sind«, ergänzte Tönnies sogleich.
    »Das, meine liebe Stöckelin, bringt uns alle doch wieder auf die Erde zurück«, pflichtete Steinhaus schmunzelnd bei. »Der Mensch ist nichts, Gott ist alles, aber dank seiner Gnade dürfen wir uns mit unseren Werken ein wenig aus unserer Nichtigkeit befreien.«
    »Trefflich ausgedrückt!«, entfuhr es Mathilda eine Spur zu hastig. Polyphemus dagegen nickte dem Kaufmann anerkennend zu. Tönnies schwieg erneut. Es war Dora, als behagte ihm die abermalige Spitzfindigkeit des Bibliothekars nicht sonderlich, andererseits fand er sich außerstande, dem etwas Passendes entgegenzusetzen. Fast dauerte er sie ein wenig, dann aber fiel ihr Blick auf seine gelblichen Hände mit den unreinen Fingernägeln. Die heiße Luft unter der Plane hatte ihn in seinen dunklen Gewändern stark schwitzen lassen, weshalb er leicht sauer roch. Darüber verflüchtigte sich der Anflug von Mitleid sofort wieder, und Dora rückte noch weiter nach außen, ließ den Blick abermals nach vorn zu der Öffnung der Plane wandern. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Mathilda es ebenso hielt. Auch Steinhaus und Polyphemus starrten ebenfalls schweigend nach vorn auf den Weg.
    Der Fuhrmann zog die Zügel an, die Ochsen verlangsamten ihren Gang. Gemächlich ratterten sie auf das Ende der Warteschlange vor dem Stadttor zu. Dora lehnte sich gegen das Brett, das im Wagen als Lehne diente. Ihre Finger betasteten das Felleisen in ihrem Schoß, vergewisserten sich, dass sich nach wie vor alles Wichtige unversehrt darin befand. Das Einzige, was sie schmerzlich vermisste, war Johanna. Was gäbe sie darum, die Kleine in diesem Moment auf den Knien zu haben, die Nase in ihrem duftenden Haar zu vergraben und einfach nur einige Momente des Beisammenseins zu genießen.
    »Gleich werden wir unser Nachtlager erreichen«, meldete sich Mathilda zu Wort. »Was denkt Ihr, lieber Steinhaus, können wir in Marienburg ein oder zwei Tage Pause einlegen?«
    Die Frage beantwortete der Kaufmann zunächst mit einem unwilligen Schnauben, bevor er Mathildas Entsetzen gewahr wurde und in versöhnlichem, aber bestimmtem Ton erwiderte: »Da muss ich Euch enttäuschen, meine Liebe. Wir befinden uns erst am Beginn unserer Reise. Da ist noch lange nicht an eine Pause zu denken. Morgen früh muss es gleich bei der ersten Dämmerung weitergehen. Sollte Euch die Fahrt zu beschwerlich sein, erkundige ich mich gern in Eurem Namen nach einer Möglichkeit, wieder zurück…«
    »Nein, nein«, fiel die Base ihm erschrocken ins Wort. »So habe ich das nicht gemeint. Ich dachte nur, angesichts der ausführlichen Schilderungen unseres verehrten Bibliothekars bestünde der Wunsch, die Festung zu besichtigen.«
    »Wir befinden uns wie gesagt auf einer langen und beschwerlichen Reise«, erwiderte Steinhaus schon eine Spur ungeduldiger. »Unser Ziel heißt Krakau. Ich bin Kaufmann, nicht Werkmeister, wie Ihr wisst. So eindrucksvoll das ein oder andere Bauwerk entlang unseres Weges sein mag, so muss ich Euch doch die Möglichkeit versagen, deswegen Pausen einzulegen. Allerdings besorge ich Euch gern eine andere Reisemöglichkeit, damit Ihr …«
    »Ihr habt mich gründlich missverstanden.« Mathildas Stimme klang ebenfalls schärfer. »Selbstverständlich bleibe ich bei Euch. Ich dachte allein an unseren lieben Bibliothekar sowie an meine Base, die beide derart über die Marienburg ins Schwärmen geraten sind.«
    »Danke für Eure Fürsorge«, schaltete sich Dora ein, einen kurzen Moment lang versucht, der zehrenden Sehnsucht nachzugeben und den Weg nach Hause, zu Johanna, einzuschlagen. Das aber war undenkbar, ohne dass sie Licht in die Vergangenheit ihres Gemahls gebracht und Veit von den schweren Anschuldigungen entlastet hatte. »Mein Reiseziel ist wie das unseres lieben Freundes weiterhin Krakau«, stellte sie entschlossen klar. »Je eher wir dort eintreffen, je lieber ist es mir. Ich hoffe«, damit wandte sie sich direkt an den Kaufmann ihr gegenüber, »Ihr zweifelt nicht an meinem Wunsch.«
    »Warum sollte ich?«, erwiderte Steinhaus und schenkte ihr ein zufriedenes Lächeln.
    Am liebsten hätte sie ihn gebeten, sein Angebot so schnell wie möglich wahr zu machen und sich gleich im nächsten Gasthaus nach einer

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