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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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fällt Euch ein?« Erbost über die Dreistigkeit, fuhr sie herum und erblickte einen Mann mittleren Alters. Ein schwarzer, von ersten Silberfäden durchzogener Bart beherrschte Wangen und Kinn. Zwischen schmalen Lippen blitzten strahlend weiße Zähne auf. Seine Nase wirkte knollig, dafür waren die dunklen Augen umso kleiner, was vermutlich an den buschigen, natürlich ebenfalls tiefschwarzen Augenbrauen lag, die sie fast gänzlich verdeckten. Das Barett auf dem Kopf versank geradezu in dem dichten dunklen Haar. Trotz dieser Düsternis sah der Mann vertrauenerweckend aus. Das rührte zu gleichen Teilen von seiner guten Kleidung wie von seiner Art, sie zu tragen und sich zu bewegen. Schwungvoll zog er das Barett vom Kopf, presste es mit der Linken gegen die Brust, vollführte mit der Rechten eine ausholende Armbewegung und verbeugte sich.
    »Stets zu Euren Diensten, verehrte Mathilda Huttenbeck«, setzte er in seiner volltönenden Stimme nach. Als er sich wieder zu seiner vollen Größe aufrichtete, sahen sie einander geradewegs in die Augen. »Dora Stöckelin schickt mich, nach Euch zu sehen.«
    »Woher wisst Ihr, wer ich bin?« Mathilda zog die Augenbraue nach oben, musterte ihn noch einmal genauer. Sie war sich sicher, ihm nie zuvor begegnet zu sein. »Wie kommt meine Base dazu, Euch …«
    »Das ist eine längere Geschichte. Gestattet, dass ich mich zuerst vorstelle. Mein Name ist Otto Jagusch. Ich bin Baumeister hier in Marienwerder. Eure Base hat Euch vorhin mehr als hinreichend beschrieben, ebenso wusste der gute Polyphemus einiges zu Eurem Aussehen beizutragen. So fiel es mir leicht, Euch zu erkennen, wenn ich Euch auch im Gasthaus am Markt vermutet habe und nicht hier vor der Domkirche.«
    »Die Zeit ist mir lang geworden, deshalb wollte ich mich draußen ein wenig umsehen«, gab sie sich versöhnlich.
    »Wenn Ihr erlaubt, begleite ich Euch. Dabei kann ich Euch gern erzählen, wieso Eure Base mich geschickt hat, um mich um Euch zu kümmern.«
    Nach einer neuerlichen Verbeugung bot er ihr galant den Arm. Zunächst zögerte sie, dann nahm sie die Einladung an.
    »Es dauert wohl noch länger, bis meine Base und die anderen Herren die Besichtigung des Doms abgeschlossen haben?«
    »Götz Steinhaus hat einen Boten geschickt, dass er erst gegen Mittag seine Geschäfte abgeschlossen hat. Die Zeit wollen sie nutzen, um den Dombau zu studieren.«
    Mathilda wunderte sich, warum der Kaufmann die Nachricht nicht zu ihr ins Gasthaus, sondern zu Dora gesandt hatte. Ein kurzer Seitenblick auf Jagusch aber ließ es ihr angeraten sein, nicht länger auf diesem Punkt zu beharren. Voller Vorfreude, ihr Marienwerder zu zeigen, führte er sie über den Vorplatz. Statt jedoch wie von ihr erwartet zum Kirchenportal lenkte er seine Schritte auf die Stadtmauer zu.
    Eine Pforte, die ein einzelner Büttel bewachte, bot einen schmalen Durchlass. Der Wachmann entbot Jagusch einen unterwürfigen Gruß. Direkt hinter der Pforte schlängelte sich ein Pfad zum Fluss hinunter. Einige Waschweiber gelangten darüber zur Bleiche unten am Fluss, eine Gänsemagd scheuchte ihre schnatternde Schar von unten den Berg herauf. Jagusch verharrte bei der Mauer, von wo aus sich ein hervorragender Blick über das weite Schwemmland bot. Auf der Liebe dümpelten einige Kähne träge dahin. Der Fluss war breit und flach, bot wenig Strömung. Da auch der Wind fehlte, um die Segel zu blähen, war kaum zu erkennen, ob die Boote flussauf- oder flussabwärts trieben. Mathildas Blick wanderte weiter. Rechter Hand von ihrem Standort schwang sich ein mächtiger Dansker in kühnen Wölbungen von der früheren Ordensfestung bis nah an das Ufer der Liebe heran. Gegen ihren Willen war Mathilda zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit von der Leistung der Baumeister beeindruckt, die sich in dem Bauwerk widerspiegelte. In solcher Größe hatte sie noch nie einen derartigen Turm vor sich gesehen.
    »Ein überwältigender Anblick.« Jagusch wippte auf den Fußspitzen. Die Hände auf dem Rücken verschränkt, den Blick stolz über Kirche und Dansker schweifend, machte er einen sehr zufriedenen Eindruck. »Nachher solltet Ihr Euch unbedingt noch die Wandmalereien in der Kirche ansehen. Sie sind weit über die Grenzen unseres Landes berühmt.«
    »Gewiss werdet Ihr sie mir zeigen«, erwiderte Mathilda lächelnd, »vielleicht, nachdem Ihr mir endlich verraten habt, wie Ihr zu meiner Base steht.«
    »Oh, verzeiht.« Schuldbewusst senkte er kurz den Blick, richtete sich mit

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