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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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besser nicht mehr so lang über den Büchern. Eine junge Frau wie Ihr gehört ohnehin an die Seite ihres Gemahls und nicht in eine Werkstatt. Schlimm genug, dass Urban so viel Zeit in seiner Studierstube verbringt. Es ist an Euch, ihn davon abzuhalten.«
    Vorwurfsvoll schaute sie Dora an. Die achtzehnjährige Gemahlin ihres Vetters ertrug den Blick nur kurz, dann senkte sie das Antlitz. Zum hundertsten Mal fragte sich Mathilda, was Urban an ihr so Besonderes fand. Natürlich war ihr gleich bei der ersten Begegnung die Ähnlichkeit mit jener Nürnbergerin aufgefallen, für die der Vetter einst entflammt war. Aber das lag bald zwanzig Jahre zurück und reichte wohl kaum für mehr als eine rührselige Erinnerung, gerade bei einem so vernunftbetonten Mann wie ihm. Viel anderes aber hatte Dora ihrer Ansicht nach kaum zu bieten. Der gute Eindruck des wohlgeformten Gesichts wurde durch die verschiedenfarbigen, eine Spur zu weit auseinanderstehenden Augen gleich zerstört, ebenso lag um den zierlichen Mund eine aufmüpfige Entschlossenheit, die einer Frau nicht anstand. Die gerade, schmale, am Ende leicht nach oben gebogene Nase unterstrich das sogar noch. Ebenso erschreckte die aufrechte, schlanke Gestalt so manchen durch ihre für eine Frau ungewöhnliche Größe. So sollten Doras wahre Werte wohl eher bei ihren inneren Werten liegen, doch auch da meinte Mathilda wenig Einnehmendes entdecken zu können. Das stete Zeichnen, Entwerfen und Lesen in der Werkstatt, für die Urban sogar seine eigene Studierstube in einen wesentlich kleineren Raum verlegt hatte, hielt sie nur von den Pflichten einer guten Ehe- und Hausfrau ab. Zwei Jahre nach der Hochzeit war es höchste Zeit für eine erste Schwangerschaft. Wie zufällig verharrte ihr Blick auf Doras zierlichem Leib. Noch immer blieben die sicheren Hinweise aus. Mit einer blutjungen Frau eine Familie zu gründen schien wohl weitaus schwieriger, als der Vetter gehofft hatte. Ein Anflug von Genugtuung überkam sie. Dabei wäre er bestimmt ein guter Vater. Wie oft hatte sie sich ausgemalt, wie er einen hübschen Sohn auf den Knien schaukelte, während sie die gemeinsame Tochter an ihr Herz drückte. Vielleicht gab es doch Gerechtigkeit auf Erden, und die Kinderlosigkeit mit Dora war die Strafe für Urbans Gefühllosigkeit ihr gegenüber. Sie reckte das Kinn, verdrängte die aufsteigende Wehmut. Die vergangenen zwölf Jahre durfte sie nicht als verschenkte Zeit betrachten. Ihr Tag würde noch kommen, daran musste sie einfach fest glauben.
    »Seht nur, wie herrlich die Sonne aufgeht.« Fröhlich wies Dora gen Himmel. Widerwillig folgte Mathilda dem Fingerzeig. Tatsächlich schälte sich die Sonne als gleißende Verheißung eines weiteren strahlend schönen Frühlingstages am Horizont heraus. Dünne blaurote Wolkenschlieren schmückten das Firmament wie bunte Bänder. Die oberen Fenster im Haberturm spiegelten die ersten Sonnenstrahlen wider. Wie von Zauberhand waren die Mauern und Zinnen der Häuser ringsum bald von goldenem Licht übergossen.
    »Das sieht in der Tat nach einem vielversprechenden Tag aus«, entgegnete Mathilda und schaute Dora an. Der blaue Schimmer in Doras rechtem und der grüne in ihrem linken Auge entfaltete auf einmal einen seltsamen Sog, dem sie sich nur schwer entziehen konnte. Ein geheimnisvolles Leuchten blitzte darin auf. Das musste es sein, was Urban so an Dora begeisterte. Noch bevor sie etwas erwidern und damit den Zauber des Augenblicks durchbrechen konnte, wandte Mathilda sich um und hastete weiter. »Es wird wirklich höchste Zeit, in den Kneiphof zu gelangen«, mahnte sie Dora. »In Eurem Elternhaus wird längst alles zum Brauen bereit sein. Oder habt Ihr vergessen, dass im Kneiphof dank der neuen Brauordnung das Feuer jetzt schon vor der dritten Stunde des Tages geschürt werden darf?«
    »Dafür sind Szymon und Matas bestellt. Die beiden Brauknechte werden so wie sonst auch bis zu unserer Ankunft schon eingemaischt und den Hopfen sortiert haben.«
    »Trotzdem sollten wir nicht zu spät kommen. Ihr wisst, wie sehr es Euren Vater erzürnt, wenn ausgerechnet Ihr am Brautag unpünktlich seid. Niemals würde er zulassen, dass die Knechte ohne Euch mit der Arbeit beginnen, auch wenn sie das Brauen dreimal besser beherrschen als Ihr. In den Augen Eures Vaters ist und bleibt es Eure Aufgabe. Das wird sich wohl erst ändern, wenn Euer Bruder aus dem fernen Nürnberg zurückkehrt und hoffentlich eine Frau mit nach Hause bringt, die das dann

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