Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
übernimmt.«
»Falls er überhaupt jemals zurückkehrt«, entfuhr es Dora. Mathilda stutzte. Deutlich schwang Verzweiflung in den Worten mit. Ehe sie nachhaken konnte, setzte Dora eilig nach: »Ihr habt recht, wir sollten uns sputen. Je eher wir in der Domgasse sind, je schneller haben wir es hinter uns und können uns wieder anderen Dingen widmen.«
Schon lief sie weiter, und bald tauchte ihre helle Bundhaube im Gewühl um die ersten Buden am Fuß des Mühlenbergs unter. Mathilda musste aufpassen, sie nicht aus den Augen zu verlieren. Das Gedränge wurde dichter. Käskrämer, Bäcker, Gewürzhändler und andere Krämer legten ihre Waren aus. Der Duft nach frisch Gebackenem, fremden Gewürzen und würzigen Käsen erfüllte die enge Gasse. Hausfrauen und Mägde sammelten sich, um die nötigen Einkäufe für den Tag zu tätigen. Artig grüßte Mathilda nach allen Seiten. An der Ecke zum Haus des Münzmeisters erspähte sie Hubart, einen der Schreiber aus Urbans Rentkammer. Der dicke Wanst und die unterwürfige, falsche Art waren ihr zutiefst zuwider. Offenbar war er mit einem anderen Mann in ein angeregtes Gespräch vertieft. Sobald er ihrer gewahr wurde, erblasste er und verdrückte sich hastig. Seine Verlegenheit war Mathilda ein schwacher Lichtblick an diesem verwirrenden Frühlingsmorgen. Urban würde es zu schätzen wissen, wenn sie ihm berichtete, was seine Leute während seiner Abwesenheit taten oder besser nicht taten. Zufrieden wollte sie weiterlaufen, da erhaschte sie einen flüchtigen Blick auf den Mann, mit dem Hubart so angeregt gesprochen hatte, statt in der Schreibstube seinen Pflichten nachzukommen – Göllner! Der Rock aus fahlem Veilchenblau und die hochaufgeschossene Statur mit dem kinnlangen kupferbraunen Haar waren unverwechselbar, ebenso die dicken Warzen, die die linke Wange des neuen herzoglichen Hausvogts verunzierten. Seit Urbans Nürnberger Zeit war ihr sein Anblick ebenso vertraut wie die tiefe Verachtung, die der Vetter für den böhmischen Emporkömmling hegte. Ihn mit Hubart bei einem geheimen Treffen fernab des Schlosses ertappt zu haben war eine noch größere Wonne, als den Schreiber nur beim Faulenzen erwischt zu haben. Urban würde ihr die Füße küssen vor Dankbarkeit, wenn sie ihm das berichtete. Plötzlich gutgelaunt, holte sie Dora ein und hakte sich bei ihr unter. Nach einem kurzen Stück auf der von prächtigen Kaufmannshäusern gesäumten Langgasse erreichten sie die Ecke zur Schmiedegasse.
»Was missfällt Euch eigentlich am Bierbrauen?«, erkundigte sich Mathilda scheinbar beiläufig bei der Base. »Es ist doch eine wundervolle Aufgabe, die Euch jedes Mal hervorragend gelingt. Mein Vetter hat Eures Bieres wegen sogar den geliebten Frankenwein von seiner Tafel verbannt, und das will etwas heißen.«
»Mir liegt es einfach nicht.« Dora machte Anstalten, sich von ihrem Arm zu befreien, Mathilda aber blieb hartnäckig. Die nahezu feindselige Reaktion der Base machte sie hellhörig.
»Aber Ihr kennt es doch gar nicht anders«, erklärte sie so harmlos wie möglich. »Alle Frauen Eurer Familie waren Brauerinnen. Von klein auf ist Euch das Bierbrauen vertraut, und bislang habt Ihr es auch bestens bewältigt. Zudem haltet Ihr damit das Erbe Eurer verstorbenen Mutter lebendig. Die habt Ihr doch sehr geliebt.«
»Meine Mutter war eine weitaus bessere Bierbrauerin als ich. Es steht mir kaum zu, mich als ihre rechtmäßige Erbin zu betrachten.«
»Aber wer sonst, wenn nicht Ihr, besäße ein Recht dazu?« Mathilda tat entrüstet. »Das sage ich nicht nur, weil Ihr die einzige Tochter Eures Vaters seid, sondern weil Ihr Eure Sache hervorragend macht. Gerade einmal acht Jahre wart Ihr alt, als Eure Mutter starb, dennoch ist es Euch von Anfang an gelungen, ihrem Vorbild nachzueifern und Eurem Vater die fehlende Hausfrau zu ersetzen.«
»Wie schön, das ausgerechnet aus Eurem Mund zu vernehmen. Doch wisst Ihr ebenso gut wie ich, dass mich das Konstruieren von Gebäuden weitaus mehr begeistert als das Kochen der Würze. Deshalb bin ich wohl nie mit ganzem Herzen beim Brauen dabei.«
»Allein der gute Wille zählt.«
»Euer Wort in Gottes Ohr oder vielmehr in das meines Vaters.«
Dora sah betont geradeaus. Der Kopf der Schmiedebrücke tauchte vor ihnen auf. Den Durchgang in die Stadt auf der Dominsel konnten sie rasch passieren.
Die Schmiedebrücke war nicht so dicht mit Buden bebaut wie die ein Stück flussabwärts gelegene Krämerbrücke. Zwischen den Ständen erhaschte
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