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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Ganz zu schweigen von dem Eindruck, den man gleich beim Betreten der Diele haben wird. Die Gewölbe werden vielversprechend sein. Fast könnte man meinen, Ihr hättet die Marienburg gesehen und Euch an deren Vorbild gehalten. Eure Leistung erfüllt mich mit großem Stolz. Von Anfang an habe ich an Euer Können geglaubt. Eure Begabung verdient höchste Anerkennung. Dafür werde ich sorgen, mein Augenstern, verlasst Euch darauf.« Ergriffen hielt er inne. Nach einer Weile beugte er sich zu ihr hinunter und hauchte ihr einen Kuss aufs Haupt. Mahnend hob er zugleich den Zeigefinger. »Meine Tätigkeit als herzoglicher Kammerrat zeigt mir die Arbeit der besten Baumeister im Land. Wer, wenn nicht ich, kann die Spreu vom Weizen trennen?«
    »Ich bin keine richtige Baumeisterin.« Dora wusste nicht so recht, was sie sagen sollte. Die Leidenschaft, mit der er ihre Fähigkeiten pries, schmeichelte ihr. Wieder schob sich ihr das Traumbild vor Augen. Ein jüngerer Urban hatte gewiss noch zu anderen Gelegenheiten seine Begeisterungsfähigkeit bewiesen.
    »Das hat Euch Euer Vater eingeredet, nicht wahr?« Behutsam fasste Urban unter ihr Kinn, zwang sie, zu ihm aufzusehen. »Euer Vater scheint mir allerdings kaum der Richtige, Euch und Eure Fähigkeiten richtig einzuschätzen. Ich habe selten jemanden getroffen, dem es derart schwerfällt, seinen Kindern ihre besonderen Gaben zuzugestehen. Das hat uns die Sache mit dem Haus für Gerichtsrat Jonas vor zwei Jahren bestens gezeigt. Euer Bruder hatte einen sehr eindrucksvollen Entwurf vorgelegt. Den hätte Euer Vater einfach nur umsetzen müssen. Doch nicht einmal das ist ihm gelungen. Immer wieder meinte er es doch besser zu können als sein Sohn und hat es am Ende ganz verpfuscht. Falls es ihm zuwider war, nach fremden Vorgaben zu arbeiten, weil ein Baumeister am liebsten seine eigenen Vorstellungen umsetzt, hätte er Euch den Bau überlassen sollen. Ihr hättet es mit Leichtigkeit zu Jonas’ Zufriedenheit fertiggebracht, so gut hat Euch Euer Bruder in das Vorhaben eingeweiht. Fast hätte man meinen können, der Entwurf stammte von Euch. Mühelos konntet Ihr die Feinheiten daran erklären.«
    Dora erblasste. Wusste er etwa über die wahre Entstehung des Entwurfs Bescheid? Zum Glück übersah Urban ihre Bestürzung und ereiferte sich weiter über Wenzel. »Undenkbar, Euren Vater danach noch für Bauvorhaben am Schloss auch nur in Erwägung zu ziehen. Doch was halte ich mich lange mit ihm auf? Schon allein sein Rat, ich solle Euren verschiedenfarbigen Augen keine besondere Bedeutung beimessen, erklärt sein völliges Unverständnis. Als wäre mir je in den Sinn gekommen, diese Eigenheit als böses Zeichen zu deuten! Gerade Eure ungewöhnlichen Augen sind ein Hinweis, was Gott, der Allmächtige, mit Euch im Sinn hat – Euch auszuzeichnen vor allen anderen mit einer ganz besonderen Gabe. Wer solche Augen hat, mein Augenstern, der besitzt einen Blick auf die Welt, wie ihn kein Zweiter hat. Um das zu erkennen, muss man in seiner Einschätzung für andere jedoch stets offen bleiben und in der frohen Erwartung leben, eines Tages den besonderen Sinn hinter ihren Eigenarten zu verstehen. Euer Vater aber hat all die Jahre versäumt, sich Eurer Begabung bewusst zu werden und sie zu fördern. Und warum? Nur weil er Euch nach dem Tod Eurer Mutter für den Haushalt gebraucht hat. Dabei liegt es auf der Hand, woher Eure ungewöhnlichen Fähigkeiten stammen. Euer Ahn Laurenz Selege ist einer der wenigen Baumeister auf den Ordensburgen, dessen Schaffen bis auf den heutigen Tag namentlich überliefert ist. Das haben wir auch seinen vortrefflichen Aufzeichnungen zu verdanken. Wenigstens hat mir Euer Vater das Werkmeisterbuch überlassen. Mit dessen Hilfe werdet Ihr Eure Kunst weiter verfeinern.«
    »Dafür hättet Ihr ihm aber nicht die ungeheure Summe von fünfzig Mark zahlen dürfen.« Dora nutzte die Empörung, sich aus seiner Hand zu befreien und auf etwas mehr Abstand zu gehen. »Das ist nahezu der Jahreslohn eines Schreibers aus der Rentkammer.«
    »Ihr wisst, wie dringend Euer Vater das Geld braucht. Verstünde er sich besser auf die Baukunst, täte er sich leichter, es auf dem üblichen Weg zu verdienen.« Leise seufzte Urban, richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. »Glaubt mir, mein Augenstern, nichts auf der Welt ist mir je zu teuer für Euch! Da ich weiß, wie viel Euch das Buch bedeutet, bin ich jederzeit wieder bereit, eine so

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