Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
Leinentuch hervor und reichte es ihr. Dankbar begann Gret sich den Regen aus dem Gesicht zu wischen, schüttelte achtlos die Haube vom Kopf und umwickelte das tropfende Haar mit dem Tuch.
»Sind trockene Gewänder im Haus? Meine Schwägerin wird gewiss ein Kleid in der Truhe zurückgelassen haben, das mir passt. Leg es mir nur gleich oben in ihrem Schlafgemach zurecht, Renata. Ich komme sofort.«
Sie versetzte der dürren Magd einen sanften Stoß. Da Renata selten mit ihr sprach, wusste sie nie so recht, ob sie ihre Anweisungen verstanden hatte oder nicht.
»Geh schon«, bekräftigte die König ihre Aufforderung. »Elßlin wird dir helfen, ein passendes Kleid zu finden.«
Miauend strich die mehrfarbige Katze um Grets Beine. Sie erschrak. Renata aber legte ihr besänftigend die Hand auf den Arm und schüttelte sacht den Kopf. Gret wusste, wie sehr sie an der Katze hing. Angeblich beschützte sie das Haus vor Feuer. Schon oft hatte Gret die Magd fragen wollen, ob das alte Haus der Seleges im Kneiphof am Ende deshalb bis auf die Grundmauern abgebrannt war, weil sie damals nur eine schwarze und keine dreifarbige Katze wie diese besessen hatten. Auch jetzt streunte lediglich eine gestreifte durch Hof und Anwesen. Als die König laut hustete, verschwand die Magd über die Treppe nach oben. Die Katze eilte ihr auf flinken Pfoten lautlos hinterher. Schon wollte Gret ihr ebenfalls folgen, da stellte sich die König ihr in den Weg.
»Einfach ist es wirklich nicht mit Renata. Seit ich unter einem Dach mit ihr lebe, verstehe ich besser, warum Mathilda Huttenbeck so geklagt hat. Ob sie wirklich ins Tollhaus gehört, weiß ich nicht. Trotzdem ist es seltsam mit ihr. Man weiß nie, ob sie begriffen hat, was sie tun soll. Dafür aber geht ihr die Katze über alles. Ihr habt es gerade wieder mit eigenen Augen gesehen. Sogar einen Namen hat sie dem Tier gegeben und redet mit ihm, als wäre es ein Mensch. Die Kleine ahmt sie schon nach. Ganz verzückt krabbelt sie der Katze überall hinterher. Wenn wir nicht aufpassen, lernt sie am Ende noch das Mäusefangen!« Sie schüttelte den Kopf, suchte unauffällig Grets Zustimmung. Als diese schwieg, fuhr sie fort: »Andererseits schuftet sie wirklich wie ein Ochse und erledigt die Hausarbeit mehr oder weniger völlig allein. Die brave Elßlin ist vollauf mit dem Kind beschäftigt. Wenn Ihr mich fragt, die Kleine ist mehr als anstrengend. Nicht nur der Katze wegen. Ich weiß gar nicht, wie die beiden Mägde hier im Haus allein zurechtgekommen wären. Wie gut, dass die Herzogin mir gestattet hat, während der Abwesenheit der Stöckelin hier zu wohnen.«
»Dabei hätte eigentlich Mathilda Huttenbeck dableiben sollen. Ihr plötzlicher Entschluss, meine Schwägerin auf der Reise zu begleiten, hat alles erst durcheinandergebracht.«
»Aber wie hätte die Stöckelin allein reisen können?« Katharina König zog sie näher zu sich heran, schaute sie von unten herauf aus ihrem runden Vollmondgesicht treuherzig an. Dass Gret nach wie vor vor Nässe tropfte, schien sie nicht zu stören. Die winzigen blauen Augen von Polyphemus’ Frau glänzten selbst in der dämmrigen Diele, der kleine rosafarbene Mund ähnelte einer aufspringenden Rose im Mai. Selbst das volle weiße Haar, das unter der Haube hervorlugte, umrahmte das Antlitz wellig wie Rosenblätter. Dazu passte der blumige Duft, der in den dunklen, schlichten Gewändern hing. Einmal mehr fragte sich Gret, ob sie als Bleicherin und Spitzenwäscherin bei Hofe das Rosenwasser trank, mit dem sie die Wäsche der Herzogin behandelte. Anders war dieser aufdringliche Geruch nicht zu erklären, der aus jedem einzelnen Haar der kugelrunden Frau drang. Die rosigen Wangen wie auch die aufgesprungenen, dennoch zarten Hände passten ebenso dazu. Fehlte nur noch ein rosendurchwirktes rosafarbenes Kleid, und die König wäre äußerlich der Inbegriff ihrer höfischen Tätigkeit. »Sagt doch selbst, liebe Selege«, fuhr die König ungerührt fort und spitzte ihre Rosenlippen. »Eine junge Witwe wie die Stöckelin darf nicht ohne Begleitung eine weite Reise antreten. Auch wenn sich der gute Götz Steinhaus noch so sehr um sie bemüht, so ist das einfach nicht statthaft.«
»Euer Gemahl passt gewiss auch gut auf sie auf«, warf Gret ein und wollte sich damit endlich nach oben begeben, um trockene Kleidung anzuziehen. Die König wollte sie jedoch noch immer nicht gehen lassen.
»Aber doch nur bis Thorn!«, fügte sie empört hinzu und schlug ihre Augenlider
Weitere Kostenlose Bücher