Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
übertrieben auf, was ihrem Rosengesicht einen leicht beleidigten Eindruck verlieh. »Das heißt, so Gott will, ist mein Gatte inzwischen längst mit seinen Allensteiner Gefährten nach Westen unterwegs. Wie gut also, dass meine liebe Freundin sich im letzten Moment erbarmt und die Stöckelin begleitet hat. Ach, ich wünschte, wir hätten bald Nachricht, dass sie Krakau wohlbehalten erreicht haben.«
»Das wird noch eine ganze Weile dauern.«
»Leider. Und ausgerechnet jetzt muss dieses Unwetter losbrechen.« Die König schlug ihre winzigen weißen Hände vor den Mund, verharrte in dieser Pose, als würde sie dadurch Schlimmeres verhindern können. Das entlockte Gret ein belustigtes Schmunzeln.
»Dort, wo Dora und ihre Gefährten sind, muss es nicht so stark regnen wie bei uns. Längst sind sie viel weiter südlich unterwegs.«
»Gebe Gott, Ihr hättet recht.« Zögernd ließ die König ihre Hände sinken. »Warum nur zeigt sich in diesem Jahr der Juni derart nass und kalt?«
»Wäre er heiß und trocken, verhieße das ebenfalls nichts Gutes für die Reisenden. Doch macht Euch keine Sorgen, ›Regen an St. Veit, Gerste nicht leid’t‹ hat meine Muhme mir beigebracht. Für uns als Bierbrauer verheißt das also nur Gutes.« Sie senkte die Stimme. Plötzlich stieg eine schmerzhafte Traurigkeit in ihr auf. An die gute Muhme, die erste Frau ihres Oheims Wurfbein vom Wirtshaus am Nürnberger Frauentor, hatte sie viel zu lange nicht mehr gedacht. Ebenso stand ihr auf einmal das Antlitz von Vetter Veit vor Augen. Noch auf dem Sterbebett hatte sie inständig darum gebeten, er möge sich Grets wie einer Schwester annehmen, als hätte sie da schon geahnt, wie es um ihr weiteres Schicksal bei der zweiten Frau des Oheims bestellt wäre. Gret schluckte Tränen hinunter. Veit beging an diesem Tag seinen Geburts- und Namenstag. Sie sandte ein kurzes Gebet gen Himmel, im fernen Krakau möge es ihm gutgehen.
»Regen an St. Veit mag gut sein, aber nicht ein solches Unwetter.« Die König zeigte sich nach wie vor missmutig.
Auch Grets Stimmung verdüsterte sich weiter. Hatte sie eben noch trotz des Gewitters aller Unbill frohgemut die Stirn geboten, so fühlte sie sich jetzt auf einmal hundeelend. Verschämt wischte sie die Augenwinkel, drehte dabei das Antlitz ab, damit die König das nicht bemerkte.
»Aus Euch tropft es ja regelrecht!«, rief die König plötzlich aus. »Seht nur, wie nass der Boden zu Euren Füßen ist. Geht endlich nach oben und zieht Euch trockene Gewänder an. Renata soll den Steinboden hier unten wischen.«
Sie fasste Gret am Arm und zog sie die Treppe hinauf. Gret war froh, dass sie sie an der Tür zu Doras Schlafgemach losließ und darauf verzichtete, sie hineinzubegleiten. Stattdessen lief sie in die benachbarte Küche und erteilte Renata weitere Anweisungen. Als Gret die Tür hinter sich schloss, hörte sie die genauen Aufträge der König so deutlich, als stünde sie direkt neben ihr. Kein Zweifel, die Frau des herzoglichen Bibliothekars war es gewohnt, Befehle zu erteilen. Auf dem Schloss aber sprangen ein halbes Dutzend Näherinnen und mindestens ebenso viele Waschfrauen diensteifrig um sie herum, zu nichts anderem angestellt, um die herzogliche Spitzenwäsche in Ordnung zu halten. Im Haus am Mühlenberg gab es einzig die törichte Renata, die die Anweisungen ausführte. Dass sie dazu länger brauchte und nicht alles zur vollsten Zufriedenheit der König erledigte, lag auf der Hand.
»Die fängt gleich an zu schimpfen«, ertönte ein zartes Stimmchen. Gret drehte sich um. Am Kopfende des Bettes, ganz in den äußersten Winkel gerückt, kauerte Elßlin, die schlafende Johanna auf dem Schoß, und lächelte ihr schüchtern zu. »Warum geht sie nicht einfach ins Schloss und lässt uns allein? Am Ende schlägt der Blitz bei uns ein, weil die König so laut über Miranda schimpft. Wie soll uns die Katze beschützen, solange die König immerzu nach ihr tritt? Ach, liebe Selege, bleibt bei uns. Ich habe solche Angst!«
»Hab keine Angst, Liebes!« Gret huschte zu dem jungen Mädchen, tätschelte ihm tröstend die Wange. »Das Gewitter zieht bald wieder ab. Solange Miranda durchs Haus streift, wird es euch verschonen. Die König ist im Grunde eine herzensgute Frau. Es fällt ihr einfach nur schwer zu entscheiden, was sie hier wirklich tun soll. Letztlich will sie ihrer Freundin, der Mathilda Huttenbeck, zu Gefallen sein. Deshalb meint sie so streng mit dir und vor allem Renata umspringen zu müssen.
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