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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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dieser Ort gewählt war, zeigt sich daran, dass er mir erst zwei Jahre nach seinem Tod in die Hände gefallen ist. Die Chronik enthält also mehr als nur persönliche Gedanken Eures Gemahls. Das wiederum weiß auch jemand anderer. Dem muss sehr daran gelegen sein, sie zu finden, bevor sie in andere Hände fällt. Gelegentlich meine ich zu ahnen, um wen es sich handeln könnte.«
    Er beugte sich vor, legte seine Hand auf Doras Arm, schaute sie beschwörend an.
    »Ich danke Euch, dass Ihr mir das Buch überlassen habt.« Sie wollte sich rasch abwenden. Bevor die Reise weiterging, musste sie in Ruhe über alles nachdenken. Polyphemus ließ sie jedoch nicht gehen, hielt sie sanft, aber bestimmt am Arm zurück.
    »Versprecht mir, gut auf Euch achtzugeben. Wenn Euer Gemahl nicht wollte, dass man das Buch in seinem Haus findet, kann er auch nicht gewollt haben, dass man es bei Euch findet. Deshalb habe ich es Euch auch erst jetzt gegeben. Nun aber, da sich unsere Wege trennen, solltet Ihr überlegen, ob Ihr den Band nicht besser Clas Tönnies anvertraut. Packt ihn in einen unauffälligen Beutel und erzählt dem braven Mann eine schöne Geschichte, wie wichtig es Euch ist, die Aufzeichnungen Eures Gemahls bei ihm sicher verwahrt zu wissen, um sie vor Eurer Base zu retten. Man kann ihm zwar trauen, aber das erspart ihm im Zweifelsfall das Lügen. Und was Euch betrifft, Stöckelin, so seid gewiss, Gott, der Allmächtige, wird Euch Euer Verhalten nachsehen. Nur zu gut weiß er um die Gefahr, die das Buch darstellt.«
    »Ich werde es mir überlegen«, erwiderte Dora. Unwillkürlich beugte sie sich vor und umarmte Polyphemus herzlich. »Danke Euch für Eure Hilfe«, raunte sie ihm ins Ohr. Kaum wollte ihr die Stimme gehorchen. Hastig ließ sie ihn wieder los.
    »Eine letzte Bitte habe ich noch.« Polyphemus fasste noch einmal nach ihrer Hand, sah sie von neuem besorgt an.
    »Und die wäre?«
    »Sobald Ihr aus Krakau zurück seid, geht Ihr zurück in Eure Werkstatt und widmet Euch neuen Entwürfen. Es kann nicht angehen, dass Ihr eine so besondere Gabe, wie sie Euch zuteilwurde, verkümmern lasst. Wenn Ihr das schon nicht für Euch selbst tun wollt, so tut es für Eure Tochter und Eure Nachkommen. Ihr seid eine begnadete Baumeisterin. Ihr müsst weiter daran arbeiten. Euer Gemahl hat immer fest an Euch geglaubt.«
    »Ich denke, wir sollten ins Gasthaus zurückkehren«, erklärte Dora. Seine Worte hatten sie in Verlegenheit gebracht. Rasch wandte sie sich ab, damit er ihr das nicht ansah. »Seht nur, wie hell es schon ist. Bestimmt vermissen mich meine Reisegefährten schon. Jetzt, da sich unsere Wege trennen, ist es umso wichtiger, dass ich mich mit ihnen gut stelle. Wer weiß, wie sie mir fortan beistehen müssen.«
    10
    D er Gang in das Haus am Mühlenberg fiel Gret mit jedem Tag schwerer. Zu deutlich spürte sie bereits die Last der neuen Schwangerschaft. Seit einigen Tagen fühlte sie sich regelrecht aufgequollen, dabei rechnete sie damit, frühestens an Weihnachten niederzukommen. Um ihre Körpermitte schien sie ein kleines Fass Bier mit sich herumzuschleppen. Bei der Vorstellung lachte sie auf, dachte an die vielen Fässer herben Sommerbieres, die Matas und Szymon mittlerweile in sämtliche Winkel Königsbergs auslieferten. Wenn die Bestellungen weiter so rege sprudelten, reichten die Vorräte kaum bis Ende September. Sie hatte wohl genau das richtige Gespür für die Königsberger Kehlen bewiesen. Nächstes Jahr würden sie mehr Brau dazukaufen müssen, um alle Wünsche zu erfüllen. Zufrieden ob dieser Aussichten strich sie mit der freien Hand über ihren Leib. Noch war die Wölbung unter den Rockfalten kaum zu ahnen, sie aber spürte sie deutlich. Was sie in dem kleinen Fass zum Jahresende wohl ausliefern würde? Inständig hoffte sie auf ein Mädchen, malte sich bereits aus, wie schön es würde, seine blonden Zöpfe zu flechten und vertraulich mit ihm am Sudkessel zu tuscheln.
    Eine kräftige Windböe erfasste sie, spielte mit dem Stoff ihres Rocks, zerrte an den Bändern der Haube. Sie sah nach oben, gewahrte die dicken grauen Wolken am Himmel. Von der am Vortag noch so üppig zu genießenden Sommersonne fand sich keine Spur mehr, dafür roch es nach Regen. Sie sollte sich sputen, um den Mühlenberg noch trockenen Fußes zu erreichen. Die Beine gehorchten ihr nur widerwillig. Ähnlich unbeholfen wie ihr kleiner Rudolph, der mit seinen anderthalb Jahren gerade das Laufen lernte, setzte sie ihre Schritte. Mitten auf der

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