Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
allerdings unter vier Augen. Das aber wollte sie den Herren nicht so ohne weiteres kundtun. Am Ende zogen sie falsche Schlüsse daraus. Also musste sie sich etwas einfallen lassen, um sie vorerst davon abzubringen. Gerade als sie Luft holen und zu ihrem ersten Satz ansetzen wollte, mischte sich Steinhaus ein. »Ihr seid mir zuvorgekommen, mein Bester. Den alten Singeknecht wollte ich im Namen unserer lieben Stöckelin in den nächsten Tagen ebenfalls aufsuchen. Sie hat mich darum gebeten.« Überrascht sah sie ihn an. Davon war nie die Rede gewesen. Er schenkte ihr ein verständnisvolles Lächeln, bevor er sich wieder den Herren zuwandte. »Egal, welcher Ruf dem alten Singeknecht vorauseilt, möchte ich noch Folgendes zu bedenken geben: Der gute Urban Stöckel war ein enger Vertrauter unseres Herzogs und das ebenfalls schon aus lang vergangenen Nürnberger Zeiten. Von daher dürfte auch er König Zygmunt in bester Erinnerung sein. Den Schuldigen für seinen Tod nach zwei Jahren endlich zur Rechenschaft zu ziehen, wird Zygmunt also nicht allein seinem Neffen zuliebe ein großes Anliegen sein.«
Betretenes Schweigen breitete sich unter den Männern aus. Verlegen spielte Fedor Spiski wieder an seinem Bart, offenbar ein wenig bestürzt, bei Steinhaus statt auf Unterstützung eher auf Widerspruch zu seinen Ausführungen gestoßen zu sein. Auch Dora sagte zunächst nichts dazu. Sosehr sie Steinhaus’ Vorpreschen störte, so besaß sie den Kaufleuten gegenüber den entscheidenden Vorteil zu wissen, wo die beiden Singeknechts zu finden waren – bei jüdischen Freunden in Kazimierz. Wenn sie es geschickt anstellte, brachte sie die genaue Adresse vor ihnen in Erfahrung und konnte sie rechtzeitig vorwarnen.
»Ich danke Euch sehr für Euren selbstlosen Beistand.« Einen nach dem anderen lächelte sie die Kaufleute gewinnend an. »Nicht in meinen kühnsten Träumen hätte ich damit gerechnet, fern meiner Heimatstadt so rasch entschlossene Hilfe zu erhalten.«
»Das ist doch selbstverständlich«, schaltete sich sofort Stanisław Podski ein. »Das Beste wird also sein, wir sprechen so schnell wie möglich mit den beiden Singeknechts und informieren dann den König, damit er auch dem Herzog in Königsberg Nachricht schickt. Ihr, liebe Stöckelin, werdet gewiss damit einverstanden sein. Vielleicht wollt Ihr uns zu dem Gespräch mit den beiden Herren begleiten? Abgesehen davon, dass Ihr als Witwe natürlich direkt von dem Unglück betroffen seid, verfügt Ihr als Baumeisterin über das entsprechende Wissen, um Veit Singeknechts zu erwartende Rechtfertigung gleich richtig beurteilen zu können.«
Ehe sie so recht begriff, hatte er schon die Wirtshausmagd herbeigewunken und um Schreibzeug gebeten. Offenbar wollte er sogleich eine Nachricht an die Singeknechts schicken. »Was haltet Ihr davon, wenn wir morgen Vormittag bei den Singeknechts vorsprechen? Ein Bote wird ihnen noch heute unser Ansinnen übermitteln.«
»Aber Ihr wisst doch gar nicht, wo genau sich die Singeknechts derzeit aufhalten«, platzte es aus ihr heraus. Noch hegte sie die leise Hoffnung, sich ihren Vorsprung bewahren und Veit allein sprechen zu können. Erstaunt sahen die Männer sie an.
»Ihr habt mir doch erklärt, Ihr hättet einen Brief an Euren Bruder …«, setzte Steinhaus stirnrunzelnd an.
Der für eine ganze Weile verstummte Feliks Baranami fiel ihm ins Wort: »Zufällig sind sie bei meinem Freund Jan Gottlieb in Kazimierz untergekommen.« Schmunzelnd beugte er sich an Bonter vorbei nach vorn. Zum ersten Mal wurde Dora seines auffälligen roten Haares in voller Pracht gewahr. Selbst sein Bart leuchtete feuerrot. Das Lächeln um seinen Mund war allerdings nicht allein deswegen schwer zu deuten. Schon befürchtete sie, er durchschaue sie. In zweideutigem Ton erklärte er weiter: »Gottlieb wohnt in der Josefsgasse am Rande des Judenviertels mit direktem Blick auf die Synagoge. Dort sind die beiden sehr gut aufgehoben. Ich kenne Gottlieb schon lange. Er wird unseren Wunsch nach einem Gespräch unterstützen.«
Dora stutzte. Nicht nur, weil ausgerechnet Baranami, der eben noch so unwirsch von den welschen Einflüssen auf dem Wawel und in der Stadt geredet hatte, sich nun so freimütig zu seinen engen Verbindungen ins Judenviertel bekannte. Etwas in der Art, wie er gerade über Veits Aufenthaltsort redete, ließ sie aufhorchen. Das klang fast so, als wollte er ihr damit helfen, die Singeknechts vor den anderen zu erreichen. Warum sonst nannte er
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