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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Leibhaftigen in Gestalt des rachsüchtigen Göllners zu begegnen, und nun das – die sonst so schüchterne Elßlin schimpfte die alte Renata, die wohl wieder den Verstand verloren hatte. Verkehrte Welt!
    Auf Zehenspitzen trat sie näher. Noch hatte die junge Magd sie nicht bemerkt. Vollauf war sie damit beschäftigt, das schlafende Kind an ihrer Schulter ruhig zu halten und zugleich das Kunststück zu vollbringen, die wimmernde Gestalt auf dem Boden aufzuscheuchen. Trotz aller Besorgnis konnte sich Gret ein Schmunzeln nicht verkneifen. Sie räusperte sich leise, um Elßlin vorzuwarnen, und flüsterte: »Reich mir das Kind.«
    Die strohblonde Magd fuhr trotzdem erschrocken herum, starrte sie mit großen blauen Augen an. Davon erwachte Johanna, reckte das Köpfchen und wollte abermals den Mund zum Schreien aufreißen, da erblickte sie ihre Muhme. Im nächsten Moment wurde aus dem verzweifelt greinenden ein fröhlich lachendes Gesicht. Weit streckte sie ihr die Ärmchen entgegen.
    »Komm her, mein Engelchen!« Freudig breitete Gret ebenfalls die Arme aus. Johanna begann wild zu strampeln und zu zappeln. Kaum vermochte Elßlin sie noch zu halten. Als Gret das anderthalbjährige Mädchen endlich an ihrem Busen spürte, fühlte sie eine wunderbare Ruhe in sich aufsteigen. Bei ihrem Rudolph überkam sie dieses Gefühl nie. Dazu war der kleine Bursche zu wild und widerborstig, eben genau so, wie ein Junge sein musste. Die Enttäuschung darüber währte nur kurz, wusste sie doch, dass das nichts an ihrer großen Mutterliebe für ihn änderte. Beglückt schob sie ihre Nase in das weiche Haar des Mädchens. Bald schon, das wusste sie auf einmal sicher, würde sie auch so ein liebliches Wesen ihr Eigen nennen. Dieses Mal trug sie ganz bestimmt eine Tochter unter ihrem Herzen. Das hatte ihr auch Mechthild Barwasser bestätigt, die ihr seit kurzem nicht nur als Magd, sondern insgeheim auch als Wehmutter treu zur Seite stand.
    »Stellt Euch vor, Renata hat sich verkrochen, weil Miranda ausgerissen ist«, entrüstete sich Elßlin. »Sie glaubt, es bringt Unglück, wenn die Feuerkatze nicht mehr im Haus ist.«
    »Habt ihr deshalb das Herdfeuer heute früh nicht mehr angefacht? Wie wollt ihr dann Essen kochen? Los jetzt! Schleunigst müsst ihr neues Feuer entfachen.« Gret schüttelte den Kopf, verspürte allerdings überhaupt keine Lust mehr, sich um den leidigen Kram im Haushalt zu kümmern. Jetzt, da sie sicher war, fürs Erste von Göllners finsterer Wut verschont zu sein, wollte sie sich nur noch um Johanna kümmern. Nur das tröstete sie darüber hinweg, ihren Sohn Tag für Tag in der Domgasse allein bei Mechthild zurückzulassen. Außerdem waren Elßlin und Renata für die Hausarbeit zuständig. Das waren schließlich Doras Mägde. Halbherzig erkundigte sie sich: »Wo steckt eigentlich die König? Sie wird wohl kaum auf der Suche nach der verschwundenen Katze sein.«
    »Es ist nicht allein das Feuer«, erwiderte Renata vom Boden her überraschend klar. Gret und Elßlin wechselten verdutzte Blicke, während sich Renata stöhnend aus der Ecke aufrappelte. Gret schien es, als klapperte jeder einzelne ihrer dürren Knochen vorwurfsvoll, weil sie dort unten so verschreckt in der hintersten Ecke beim Ofen gekauert hatte. Misstrauisch beäugte sie die Magd. Das spitze Gesicht war noch spitzer geworden, das spärliche aschblonde Haar ähnelte mehr ruppigen, wirr in alle Richtungen vom Schädel abstehenden Hühnerfedern als menschlichem Kopfschmuck. In ihren farblosen Augen lag ein fiebriger Glanz, der etwas Beunruhigendes hatte. Dunkle Schatten umrandeten die Augenhöhlen, was den Kontrast zu den blassen Wangen noch deutlicher machte.
    Gret hauchte Johanna einen Kuss auf den Kopf und wärmte sich an dem Leib des Kindes. Ein wenig verrückt war ihr die einstige Magd des Schwähers vom ersten Tag an erschienen, seit dem großen Brand im Kneiphof vor zwei Jahren aber hatte sie vollends den Verstand verloren. Auch wenn sie es begrüßte, dass Dora die treue Seele letztes Jahr wieder aus dem Tollhaus nach Hause geholt hatte, so traute sie dem vermeintlichen Frieden nicht so recht über den Weg. Wie gut, dass Elßlin angesichts der neuen Aufgabe geradezu über sich hinauswuchs und sich während Doras Abwesenheit nicht allein um Johanna, sondern jetzt auch um den Haushalt am Mühlenberg kümmerte und dabei ganz nebenbei, wie gerade bewiesen, die verrückte Renata in Schach hielt.
    »Wo ist die König?«, wiederholte Gret ihre Frage, behielt

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