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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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gleich die genaue Adresse? Eindringlich sah sie ihn an. Er aber verzog weiter keine Miene. Trotzdem wollte sie ihm danken und sich dann rasch unter einem Vorwand nach Kazimierz auf den Weg machen, da schnitt ihr eine wohlbekannte Stimme das Wort ab.
    »Die Singeknechts wohnen im Judenviertel?« Mathilda schien darüber sehr aufgebracht. Dora fuhr herum. Das Kommen der Base hatte sie völlig überhört. Kerzengerade hatte sich die dunkel gekleidete Gestalt inzwischen hinter ihr aufgebaut, in jeder Regung eine weitaus würdigere Witwe Urbans, als sie es je hätte sein können. Die schmalen Lippen fest zusammengekniffen, die Augenbrauen nach oben gezogen, blickte sie Baranami streng an. »Nie im Leben kann meine liebe Base den Fuß dorthin setzen, auch nicht in Begleitung von Euch ehrwürdigen Kaufleuten. Das ist ihr einfach nicht zuzumuten.«
    »Regt Euch nicht auf, liebe Huttenbeck. Dazu besteht nicht der geringste Grund«, versuchte Steinhaus zu vermitteln. »Die Juden genießen schon seit mehr als einhundert Jahren unter den Jagiellonen besonderen Schutz in Polen. Es handelt sich um fleißige, sehr verlässliche Kaufleute, mit denen unsereins sehr gern Geschäfte macht. Ich bin sicher, über kurz oder lang wird auch Herzog Albrecht die Vorzüge erkennen und sich das Beispiel seines Oheims zum Vorbild nehmen, um die jüdischen Handelsleute in Preußen ebenfalls zu begünstigen. Es kann nur von Vorteil für ihn und uns alle sein, bald schon Juden in Königsberg anzusiedeln.«
    Seinen beschwichtigenden Worten zum Trotz blieb Mathilda ablehnend. Deshalb ergänzte Baranami und warf Dora dabei abermals einen mehrdeutigen Blick zu: »Kazimierz ist sehr ansehnlich und liegt vor den südöstlichen Toren Krakaus. Der Weg in die Josefsgasse führt die längste Zeit durch den christlichen Teil der Stadt, die Juden wohnen am nordöstlichen Rand. Um das Haus meines Freundes herum haben sich neben dem Rabbi vor allem Gelehrte und Juristen wie Jan Gottlieb angesiedelt. Am besten, Ihr begleitet uns morgen ebenfalls dorthin und überzeugt Euch mit eigenen Augen von der Lauterkeit der Leute.«
    »Selbstverständlich komme ich mit. Ich werde meine liebe Base ganz gewiss nicht allein mit Euch dorthin gehen lassen.«
    Dora erstarrte. Mathilda war nicht aufzuhalten. Wahrscheinlich wich sie ihr bis dahin kaum von der Seite, so dass es für sie nahezu unmöglich wurde, sich zuvor unbemerkt allein auf den Weg nach Kazimierz zu machen. Ein ähnlich mutloses Gefühl wie am Morgen in der Marienkirche überfiel sie. Wie in der Kunst gab es auch im wirklichen Leben Kräfte, denen sie einfach nicht gewachsen war. Viel zu sehr war sie darum bemüht, die erlernten Regeln genau zu beachten. Derweil gaben sich andere ganz ihrer Leidenschaft hin und erreichten damit weitaus Eindrucksvolleres. So jetzt auch Mathilda, die einfach versessen darauf war, Veit für Urbans Tod zur Verantwortung zu ziehen, einerlei, ob er wirklich schuld war oder nicht. Oder gab es noch einen anderen Grund für die Base, sie nicht aus den Augen zu lassen? Mathildas übertrieben fürsorgliches Verhalten der letzten Wochen kam ihr in den Sinn. Ob es wirklich echt war, wusste sie immer noch nicht zu sagen. Andererseits bedeutete es für sie gewiss ein Opfer, sich Doras wegen in ein Judenviertel zu begeben, sonst hätte sie eben nicht derart aufgebracht reagiert. Dora bemühte sich um ein Lächeln, um Mathildas Misstrauen nicht noch weiter zu schüren. »Besten Dank für Euer großherziges Angebot. Ich wusste doch, wenn es heikel für mich wird, ist auf Euch stets Verlass.«
    14
    D ie Aufregung im Haus schlug Gret bereits entgegen, kaum dass sie die schwere Eingangstür geöffnet hatte. Schrille Stimmen wehten aus dem Obergeschoss in die dämmrige Diele herunter. Darüber schienen die Frauen ihr Klopfen gar nicht gehört zu haben. Umso seltsamer, dass die Tür im Erdgeschoss unverschlossen gewesen war. Bei all dem Trubel auf dem Mühlenberg so kurz vor dem Marstall und der nahen Schlossbrücke hielt das Gret für mehr als fahrlässig. Angst überfiel sie. Das konnte nur eins bedeuten, Göllner war in ihrer Abwesenheit zurückgekehrt!
    Seit seinem unrühmlichen Auftritt vor knapp drei Wochen hatte sie die drohende Gefahr durch ihn verdrängt, was umso leichter gewesen war, als er seither wie vom Erdboden verschluckt schien. Nicht einmal im Schloss war eine Spur von ihm zu erhaschen. Wie töricht es gewesen war, sich in Sicherheit zu wiegen, erkannte sie nun. Bestimmt würde er

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