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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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wies er über die Tafel. Seine Gefährten erhoben und verneigten sich einer nach dem anderen, sobald Steinhaus den Namen nannte. Stanisław Podski, Piotr Bonter, Feliks Baranami und Fedor Spiski waren allesamt Kaufleute wie Steinhaus. Das graue oder spärlich weiße Haar auf ihren Köpfen sowie die ebenfalls grau gewordenen Bärte verrieten, wie lange sie einander wohl schon kannten. Lediglich Feliks Baranami stach mit seinem roten Haar aus dieser Einheit heraus, tat aber sein Möglichstes, sich sonst nicht von den anderen zu unterscheiden. Die Kleidung der vier Herren kündete bis in die kleinsten goldenen Knöpfe und teuren Silberfäden von ihrem geschäftlichen Erfolg. Ebenso erzählten ihre wohlgenährten Leiber sowie die zufriedenen Gesichter davon, wie gut sie sich auf ihr Handeln verstanden. Wie Steinhaus, so funkelten auch an ihren Fingern dicke Siegel- und Bernsteinringe. Erwartungsvoll schauten sie sie an, sobald die Vorstellungsrunde beendet war. Doras Gegenüber, Fedor Spiski, schob ihr aufmunternd die Schüssel mit der Eiersuppe zu, Piotr Bonter zu ihrer Rechten reichte ihr einen Becher frischen Bieres.
    »Wie gefällt es Euch in unserer Stadt?«, fragte Feliks Baranami sie in tadellosem Deutsch. »Habt Ihr die Marienkirche besucht und den Wawel gesehen?«
    »Woher wisst Ihr …?«
    »Das sind die ersten Stationen, die Fremde in unserer Stadt aufzusuchen pflegen«, schaltete sich Stanisław Podski mit einem vergnügten Augenzwinkern ein. »Gerade Gäste aus Preußen bewundern gern, was der Nürnberger Veit Stoß vor einigen Jahrzehnten und in den letzten Jahren vor allem die Florentiner Landsleute unserer ehrwürdigen Königin Bona Sforza an Wunderwerken in unserer Stadt vollbracht haben. Übrigens sehe ich Euch an der Nasenspitze an, dass Euch unser Deutsch erstaunt. Offenbar wisst Ihr nicht, dass nahezu jeder Bürger in der Stadt des Deutschen mächtig ist. Die Zunftordnungen sind in Deutsch abgefasst, und unsere eigentliche Muttersprache, das Polnische, hat bei den Amtsgeschäften erst in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen.«
    »Was aber demnächst schon vom Italienischen abgelöst werden soll«, ergänzte Fedor Spiski.
    »Was natürlich eine Folge der vielen Italiener oben auf dem Wawel ist.« Die Miene von Feliks Baranami verfinsterte sich. Ihm behagte das offenbar wenig. »Dabei sollte man die Welschen mit größter Vorsicht genießen. Denkt nur an die schreckliche Bluttat, die einer von ihnen vor neun Jahren auf unserem Marktplatz an dem Baumeister Bartolomeo Berrecci verübt hat.«
    »Lasst die unsägliche Geschichte!«, forderte Stanisław Podski. »Das war die törichte Tat eines von Eifersucht Zerfressenen. Mit der alten Schauergeschichte jagt Ihr der armen Stöckelin nur Angst ein. Immerhin ist sie selbst eine Baumeisterin, wie Steinhaus uns berichtet hat. Am Ende fürchtet sie, Angehörige ihrer Zunft wären bei uns in Krakau ihres Lebens nicht sicher.«
    »Ihr seid also eine wirkliche Baumeisterin.« Anerkennend nickte Piotr Bonter ihr von der Seite zu. Umständlich wischte er sich mit einem Tuch einige Reste Suppe aus dem weißen Bart, rutschte auf dem Stuhl zurecht. »Dann solltet Ihr unbedingt den Wawel besuchen und die verschiedenen Meisterwerke der Florentiner Künstler in Augenschein nehmen. Auch viele beeindruckende Beweise der Nürnberger Kunst findet Ihr dort. Hans Dürer, der jüngere Bruder des großen Meisters Albrecht, hat vor mehr als einem Dutzend Jahren für König Zygmunt Deckenfresken gemalt. Er war Zygmunts liebster Hofmaler. Unser alter König liebt ohnehin die Nürnberger Künstler sehr. Das liegt unserem Herrschergeschlecht wohl im Blut.« Er lachte bestätigend in die Runde. »Gerade hat er einen Baumeister namens Singeknecht zu sich zitiert. Der soll auch schon bei Euch in Königsberg gewesen sein, hat man mir erzählt. Vielleicht kennt Ihr ihn zufällig?«
    Dora stockte der Atem. Ihre Finger umklammerten das Säckchen mit Renatas Phiole, als schenkte ihr nur das noch Halt. Sie senkte das Antlitz und hoffte, das graue Regenlicht, das durch die Fenster fiel und die Gaststube dürftig beleuchtete, verdeckte die Röte auf ihren Wangen.
    Steinhaus zu ihrer Linken deutete ihre Verlegenheit falsch. Besorgt tätschelte er ihr den Arm und erklärte seinen Gefährten: »Der Stöckelin ist der Name nur zu gut bekannt. Leider aus einem sehr traurigen Anlass. Vor zwei Jahren kam Veit Singeknecht zusammen mit ihrem Bruder aus Nürnberg zu uns. Mit ihr gemeinsam hat er den

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