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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Dora winkte der Wirtin, um sich zu erkundigen, ob sie ihr wenigstens eine Nachricht hinterlassen hatten.
    »Gleich, Stöckelin«, rief die Wirtsfrau und schleppte vier vollgefüllte Bierkannen zu einem der Tische an der hinteren Wand. Dora erhaschte einen Blick auf das Bier. Gret hätte ihre Freude, rasch für Besserung zu sorgen, fehlte dem Gerstensaft doch jeglicher Schaum und damit alle Spritzigkeit. Jäh erwischte sie auf einmal eine unbändige Sehnsucht nach zu Hause. Was mochte Johanna gerade tun? Ob sie sich überhaupt noch an ihre Mutter erinnerte? Fünf Wochen waren für ein anderthalbjähriges Kind eine Ewigkeit. War es das alles wert gewesen? Bei dem Gedanken, weder Veit von der ungerechten Schuldzuweisung befreit noch Licht in Urbans Vergangenheit gebracht zu haben, überfiel Dora eine bleierne Mattigkeit. Haltsuchend lehnte sie sich gegen die Wand, schloss für einen Moment die Augen.
    »Ist Euch übel?« Wie aus dem Nichts stand die Wirtin vor ihr und schaute sie besorgt an. »Ihr hättet wohl besser erst etwas gegessen, bevor Ihr Euch in der Morgendämmerung auf den Weg gemacht habt. Kein Wunder, dass Euch jetzt flau ist.«
    Beherzt fasste sie Dora am Arm und zog sie zu einem Tisch, der sich nahe beim Herd im hinteren Teil der Gaststube befand. Folgsam ließ Dora sich auf der leeren Bank nieder. Im Handumdrehen standen eine Schüssel dicker Käsesuppe, ein Korb mit dunklem Brot sowie ein Becher schalen Bieres vor ihr. Ohne lange nachzudenken, begann sie zu essen.
    Die Suppe war bald leer, ebenso hatte sie das Bier rasch getrunken. Um die erneut aufsteigende Trübsal gleich im Ansatz zu ersticken, wanderte ihr Blick über das muntere Treiben in der Stube. Gerade wollte sie versuchen die Sprache der Männer zu enträtseln, die an dem Tisch schräg rechts vor ihr saßen, da ließ ein fürchterliches Gepolter an der Tür alle aufhorchen. Wie auf Befehl erstarben die Unterhaltungen in der Stube, selbst am Herd hielten die Magd und die Wirtin mitten in ihrem Gezeter über die Zubereitung des Gesottenen inne und starrten ebenso wie die Gäste mit weit aufgerissenen Augen zum Eingang.
    Breitbeinig, die Daumen locker in die Gürtelschlaufen eingehakt, hatte sich dort ein finster wirkender Hüne aufgebaut und schaute mit grimmiger Miene umher. Zwei fast einen ganzen Kopf kleinere, aber bis zu den Zähnen bewaffnete Büttel flankierten ihn und zeigten sich dabei eifrig bemüht, nicht weniger drohend auszusehen als er. Neugierig betrachtete Dora den Riesen. Der Eindruck der Finsternis rührte nicht allein von seinem schwarzen Rock und den ebenso schwarzen Beinkleidern, auch die dunklen Rabenaugen in dem bartübersäten Gesicht und das tiefschwarze, schulterlange Haar unter einem wiederum kohlrabenschwarzen Barett taten ihr Übriges, das wirkungsvoll zu unterstreichen.
    Waren sein Aussehen und seine Größe schon furchteinflößend, so war es erst recht die polternde Stimme, mit der er »Cicza!« durch die gesamte Gaststube brüllte, obwohl längst eine gespenstische Stille herrschte. Lediglich ein Insekt erlaubte sich die Kühnheit, aufreizend laut surrend über die vielen Köpfe hinwegzufliegen, dabei der Nasenspitze des ein oder anderen Mannes gefährlich nah zu kommen. Keiner von ihnen traute sich, die Hand zu heben und es zu erschlagen.
    Ganz der Wirkung seines Auftretens bewusst, suchte der Finsterling in aller Ruhe die Gesichter ab, blickte jeden der Anwesenden eine Weile eindringlich an. Zwei, drei der Würfelspieler zuckten zusammen, einer von ihnen versuchte gar, so unauffällig wie möglich seine Würfel vom Tisch verschwinden zu lassen. Das entlockte dem Schwarzen ein schiefes Grinsen, und er bedeutete mit einem lässigen Winken, dass ihn die gezinkten Würfel nicht sonderlich interessierten. Umso mehr duckten sich einen Tisch weiter drei andere Männer, die offenkundig fürchteten, dass er ihren Mauscheleien beim Handeln auf der Spur war. Doch auch diese drei bedachte er nur mit einem verächtlichen Schnauben, um wenig später seinen Blick zu Doras Entsetzen auf ihr zur Ruhe kommen zu lassen.
    Alle Gesichter drehten sich zu ihr um, die einen deutlich von Neugier gezeichnet, was ihr Vergehen sein mochte, die anderen von sichtbarer Erleichterung erfüllt, der Aufmerksamkeit des Finsterlings und seiner pikenbewehrten Gesellen fürs Erste wohl entronnen zu sein. Die dicke Wirtsfrau und ihre Magd schoben sich neugierig hinter dem Schanktisch hervor und glotzten sie unverhohlen an.
    Vor Schreck und Scham

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