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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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schäbig wie eine lästige Fliege vor.
    »Hört, wessen man Euch anklagt«, knurrte der Finstere und machte sich umständlich an einem Haufen Papier zu schaffen, den er mitgebracht hatte. Er blätterte, suchte, überflog einzelne Seiten, raschelte weiter mit einem Bogen Papier. Sein übertriebenes Tun vermochte Dora nicht zu täuschen, längst wusste sie genauso gut wie er, dass die Anschuldigungen gegen sie so fest standen wie die Mauern der Marienkirche im Nordosten des Marktplatzes. Sie drehte den Kopf, äugte zu Steinhaus und Podski. Angestrengt stierten die beiden gleich großen grauhaarigen Kaufleute nach vorn, Richtung Fenster, sahen durch sie hindurch, als wäre sie gar nicht vorhanden. Lediglich der rothaarige Baranami neben ihnen beobachtete den Gerichtsvogt genau. »Ihr seid die Witwe des herzoglichen Kammerrats Urban Stöckel aus der Königsberger Altstadt in Preußen?«, dröhnte der von neuem los, dass ihr die Eingeweide bebten. Im selben Moment stieß sie der Büttel mit einem abermaligen Tritt in den Hintern endgültig gegen den Tisch. Gerade noch konnte sie sich mit ausgestreckten Armen abfangen, sonst wäre sie wie ein Huhn auf der Schlachtbank vor dem Gerichtsvogt gelandet. Angewidert verzog er den Mund, hob die Papiere dichter vor die Augen und brummte: »Mir liegt ein Schreiben aus Eurer Heimatstadt vor. Schwere Anschuldigungen werden dort gegen Euch erhoben.«
    »Was? Von wem?« Schrill hallte Doras Stimme durch den Raum, verfing sich in dem niedrigen Deckengewölbe. Eine entsetzliche Angst bemächtigte sich plötzlich ihrer. Kaum brachte sie den Mut auf, um stotternd nachzusetzen: »I-I-I-Ist w-w-w-was m-m-m-mit m-m-m-m-meinem K-K-K-Kind?« Wie eine Ertrinkende klammerten sich ihre Finger um die Tischplatte. Elßlin war der Aufgabe, auf das Kind aufzupassen, gewiss nicht gewachsen, die König wie auch Gret hatten ihr nicht rechtzeitig beispringen können. Das hatte sie nun davon, Urbans Vergangenheit aufklären zu müssen. Darüber hatte sie das Wohl ihrer Kleinen aufs Spiel gesetzt.
    »Ihr habt ein Kind?« Verwundert sah der Gerichtsvogt von seinen Papieren auf, maß sie mit einem schwer zu deutenden Blick. Für einen Moment meinte sie so etwas wie einen Anflug von Menschlichkeit auf seinem düsteren Antlitz zu erkennen. Die dunklen Augen flackerten ein wenig, um die blutleeren Lippen inmitten des struppigen schwarzen Bartes zuckte eine fast schon mitleidig zu nennende Regung. Dann aber verfinsterte sich seine Miene wieder, und er grollte: »Das arme Wurm!«
    Dora hielt den Atem an, zählte insgeheim bis zehn, bevor sie in so festem Ton wie möglich nachhakte: »So habt doch ein Einsehen und erlöst mich aus der entsetzlichen Ungewissheit!«
    Von der Seitenwand ertönte ein heiseres Husten. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie Steinhaus ein helles Leinentuch aus seinem feinen Faltrock hervorzog und laut vernehmlich hineinschneuzte. Podski starrte weiter mit einer undurchdringlichen Miene zum Fenster. Ebenso vermied es Baranami, zu ihr zu sehen. Der Gerichtsvogt räusperte sich. Sie wandte sich ihm wieder zu.
    »Euer Gemahl ist vor zwei Jahren von einer Mauer erschlagen worden«, fuhr der Finsterling fort. Sein Blick klebte regelrecht an den Buchstaben auf dem Schreiben, das er sich wieder nah vor die Augen hielt. »Geschehen ist das alles auf der Baustelle jenes Hauses, das er nach Euren Plänen errichten ließ. Folgerichtig seid Ihr als die verantwortliche Baumeisterin zu bezeichnen.«
    »Ja«, hauchte sie, auf einmal völlig verunsichert, worauf das hinauslaufen sollte. »Mein Gemahl hat gewollt, dass ich …«
    »Schweigt!«, unterbrach sie der Gerichtsvogt und fuchtelte mit dem Papier dicht vor ihrem Gesicht herum. Dabei beugte er sich so weit vor, dass sie zum ersten Mal seiner riesigen Nase gewahr wurde. In schwarzen Büscheln sprossen Haare aus den Löchern. Sie bebten ebenso deutlich vom Poltern seiner Stimme wie die Nasenflügel selbst. »Er wird wohl kaum gewollt haben, dass die Mauer über ihm einstürzt und er wenige Stunden später elend daran stirbt!«
    Jedes einzelne Wort spie der Gerichtsvogt voller Verachtung aus. Nicht allein die Wucht seiner Stimme brachte sie zum Zittern, dieses Mal war es auch die Angst, worauf das alles letztlich hinauslief. Eine furchtbare Ahnung beschlich sie. Es war eben doch nicht allein damit getan, sich, koste es, was es wolle, aus dem Kerker hinauszuwünschen. Kaum dem finsteren Verlies entronnen, tat sich bereits die nächste schier

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