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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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unermessliche Angst vor einem auf, tatsächlich der schlimmsten aller nur denkbaren Strafen gegenüberzustehen und sein Leben zu verlieren. Dora brauchte sich das gar nicht erst weiter auszumalen, auf einmal wusste sie es genau. »Ein Schreiben aus Eurer Heimatstadt« hatte der Gerichtsvogt eben erwähnt und weiter erzählt, dass in ebendiesem Schreiben schwere Anschuldigungen gegen sie erhoben würden. Göllner!, schoss ihr durch den Kopf. Hinter einem solch heimtückischen Schreiben konnte nur der herzogliche Hausvogt stecken. Sogleich erinnerte sie sich, wie hartnäckig er nach Urbans Unterlagen gesucht hatte und wie sehr er darauf bedacht gewesen war, alles Schriftliche aus dem Nachlass an sich zu reißen. Urban musste genau gewusst haben, warum er seine Aufzeichnungen aus Nürnberg in dem Geheimfach und die zweite Chronik in der herzoglichen Bibliothek versteckt hatte. Warum aber trat das alles ausgerechnet jetzt zutage? Warum verfolgte Göllner sie bis nach Krakau und wartete nicht einfach ab, bis sie von ihrer Reise heimkehrte und er sie ohne großes Aufheben dort verhaften konnte? Woher wusste er überhaupt, dass sie in Krakau war?
    Was gäbe sie darum, jetzt einen Tropfen des blauen Schafgarbenöls zu riechen, aus seinem Anblick neue Kraft zu schöpfen. Sie ballte die Fäuste. Was hatte Göllner zu Hause in Königsberg getan? Johanna war in Gefahr! Und sie wusste, nie mehr würde sie das Kind je an ihr Herz drücken, ihm nie mehr auch nur ein Wort von seinem Vater Urban, nur eine winzige Silbe von sich selbst erzählen, geschweige denn die ganze Wahrheit schildern können. Welch unermessliche Schmach, Tochter einer vermeintlichen Mörderin zu sein! Ihr entfuhr ein leiser Aufschrei. Im selben Moment klatschte eine Maulschelle auf ihre Wange nieder. Von der Wucht wurde sie umgehauen. Bäuchlings landete sie auf dem Tisch vor dem Gerichtsvogt. Verächtlich stieß er sie ein Stück beiseite.
    »Dass es kein Unglück, sondern böse Absicht war, hat die Flucht des zweiten beteiligten Baumeisters, Veit Singeknecht, eindringlich bewiesen«, blaffte er weiter. »Leider hat er sich auch hier in Krakau den Schergen durch feige Flucht entzogen.«
    Also war Veit die Flucht noch rechtzeitig geglückt! Gerade wollte sie wenigstens darüber erleichtert aufatmen, da begriff sie, was das hieß: Von neuem war er ihretwegen in größte Schwierigkeiten geraten, hatte abermals jede Grundlage seines Schaffens verloren. Dafür musste er sie bis in alle Ewigkeit verfluchen.
    »Ich … ich … ich«, begann sie kopflos zu stammeln, richtete sich auf, versuchte den Schmerz in der Wange außer Acht zu lassen, sich ganz auf das Denken und Reden zu besinnen. Dazu drückte sie die Hände unerbittlich gegen die Schläfen, als könnte sie so die richtigen Worte aus ihrem Kopf pressen. »Veit Singeknecht hat nicht …, also ich allein …«
    »Ach?«, unterbrach sie der Gerichtsvogt dieses Mal in einem vorgeblich freundlichen Ton, beugte sich abermals zu ihr herunter, lächelte sie zuvorkommend an, um im nächsten Augenblick böse zu grinsen, seine riesige Faust auf die Tischplatte krachen zu lassen und einem wütenden Ungetüm gleich loszubrüllen: »Ihr gebt es also zu! Ihr allein habt dafür gesorgt, dass die Wand über Eurem ahnungslosen Gemahl eingestürzt ist und ihn wehrlos unter sich begraben hat.«
    Unheilvoll hallten seine Worte durch den Raum. Dora wusste zunächst gar nicht, wie ihr geschah, was er da von sich gab und was sie dazu beigetragen hatte, dass es überhaupt so weit gekommen war. Erst ein nervöses Husten von Baranami und ein unheilvolles Räuspern von Steinhaus brachten sie zur Besinnung. Da aber war es bereits geschehen. Gierig stürzte sich der finstere Gerichtsvogt auf seine Beute.
    »Euer Eingeständnis kommt zwei Jahre zu spät! Hättet Ihr das gleich nach dem Unglück verlauten lassen, hätte man das alles gewiss noch für ein Versehen halten können. Nun aber, da es Euch einzig darum geht, Euren heimlichen Geliebten von dem Vorwurf des Mordes zu befreien, steht Eure Schuld am Tod Eures Gemahls umso eindeutiger fest. Was seid Ihr nur für ein gerissenes, heimtückisches Weibsstück! Wie habt Ihr all die Zeit nur schweigen, gar ein unschuldiges Kind an Eurer Brust nähren können? Das alles ist so abscheulich, dass mir die Worte fehlen.«
    Übertrieben fasste er sich an die Gurgel, tat, als müsste er den Kragen seines schwarzen Faltrocks lockern, keuchte, schwitzte und ächzte, als gälte es gerade für ihn

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