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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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feige die verehrten Herren meine Base im Stich gelassen haben? Auch Götz Steinhaus aus Königsberg hat es plötzlich ganz eilig gehabt, ihr die alte Freundschaft aufzukündigen. Selbst mir wollte er nicht mehr beistehen, als mich die Wirtsleute aus dem Gasthaus in der Floriansgasse geworfen haben. Einzig Jan Gottlieb sowie Clas Tönnies leisten meiner Base und mir noch Beistand.«
    »Das wundert mich nicht. Beide sind die aufrichtigsten Männer, die ich kenne.«
    »So seid Ihr also auch mit Gottlieb befreundet?«
    »Habe ich das noch nicht erwähnt? Wie habt Ihr mich vorhin gegenüber dem Büttel bezeichnet? ›Ein Mann des Buches‹, nicht wahr? Das trifft auf Gottlieb ebenfalls zu, wie Ihr gewiss längst selbst festgestellt habt. Männer der Bücher aber halten zusammen, egal, ob Bibliothekare, Gelehrte oder herzogliche Kammerräte wie Euer Vetter.«
    Wieder erlaubte er sich das verschmitzte Lächeln, mit dem er bereits vorhin auf dem besten Weg gewesen war, ihre längst überfällige Zuneigung zu gewinnen. Je länger sie ihn ansah, je klarer wurde ihr, dass sie in den letzten Wochen trotz der traurigen Ereignisse um Dora eine Menge Gutes gelernt hatte. Die bedingungslose Bewunderung für Urban musste ihr Herz seit frühester Jugend derart in Beschlag genommen haben, dass sie anderen, mindestens ebenso reichen Begegnungen gegenüber völlig unempfänglich gewesen war. Welch großer Gewinn, das noch rechtzeitig erkannt und sich eines Besseren besonnen zu haben!
    »Vorhin habe ich mich übrigens auf dem Weg nach Kazimierz befunden. Wenn mir der lausige kleine Hühnerdieb nicht den Weg versperrt hätte, säße ich längst bei meinem Freund in der Josefsgasse und könnte mit ihm beratschlagen, wie es mit der Sache der Stöckelin weitergehen sollte.«
    »Das sollten wir schleunigst nachholen«, erwiderte Mathilda. »Mich hat am frühen Morgen eine unbegreifliche Unruhe aus dem Haus getrieben. Jetzt aber, da ich Euch getroffen habe, fühle ich mich weitaus besser. Lasst uns also zu unserem gemeinsamen Freund gehen und uns mit ihm beraten.«
    8
    B egleitet von den beiden Wachen, überquerte Dora den Vorhof des Wawels. Die Männer hatten es eilig. Gern hätte sie sie nach dem Grund gefragt, warum sie sie mitten am Tag aus ihrer Dachkammer bei der stummen Alten holten, doch die Männer gaben ihr keine Gelegenheit dazu. Sobald sie erkannte, dass sie geradewegs auf den Zugang zum eigentlichen Königsschloss im Nordosten des Wawel zuhielten, fürchtete sie das Schlimmste: Offenbar wurde sie nun tatsächlich ihrem Richter vorgeführt. Die Knie wurden ihr weich, kaum fühlte sie sich imstande, weiterzugehen. Ungeduldig aber stieß sie einer der Büttel von hinten an, der andere zerrte sie erbarmungslos weiter. In dem Getümmel von Händlern, Handwerkern, Soldaten und Hofbediensteten war es nicht einfach, mit ihnen Schritt zu halten. Immer wieder kam sie jemandem in die Quere, musste einem anderen ausweichen oder vor einem heranrollenden Karren beiseitespringen. Die Wachmänner aber achteten kaum darauf. Erst als an der Kathedrale das beeindruckende Läuten der Sigismundglocke einsetzte, blieben sie plötzlich stehen und schlugen ein Kreuz vor der Brust. Für einen Moment erstarrte das Treiben auf dem riesigen Gelände, alle senkten die Köpfe für ein knappes Gebet.
    Das dumpfe Dröhnen der gewaltigen Glocke ging Dora durch Mark und Bein. Sooft sie es in den letzten Tagen gehört hatte, so neu erschien es ihr mit einem Mal. War es nicht das vorwurfsvolle Läuten zu Beginn ihrer letzten Stunden auf Erden? Sie biss sich auf die Lippen, verdrängte den quälenden Gedanken an das Leid, das sie der kleinen unschuldigen Johanna zufügte. Inständig flehte sie zu Gott, er möge ihrer Tochter eines Tages Verständnis für ihre unschuldig in irdische Ungnade gefallene Mutter einhauchen.
    »Weiter!«, mahnte einer der Wachmänner und zog sie fort.
    Ein kurzes Stück lief sie schneller, holte damit den vorderen Wachmann ein, der ihr gesprächiger schien als sein Kumpan, und wagte die bange Frage: »Geht es tatsächlich zum Gericht?«
    »Wir bringen Euch ins Schloss«, erwiderte er knapp. Bevor sie weiterfragen konnte, wandte er sich zwei Burschen zu, die gerade ihren Karren vor ihnen in den schmalen Durchgang zum Königsschloss schieben wollten, und stieß sie unsanft beiseite. »Z drogi!« Das Brüllen hallte in dem langgezogenen Tonnengewölbe wider. Dora schien es, als duckten sich sämtliche Menschen ringsum erschrocken darunter

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