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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Kazimierz erweise sich als der größte Schutzengel, den sie je auf Erden hatte. Es war ihr ein Rätsel, warum er sich derart für eine ihm völlig fremde Frau einsetzte. Noch dazu, wo doch Baranami angeblich ebenfalls sein Bestes für sie gab.
    »Lasst gut sein, Chwałka, den Rest erzähle ich der Stöckelin selbst«, erklang eine erstaunlich tiefe, deutlich südländisch gefärbte Frauenstimme. Beide fuhren herum. In einer niedrigen Tür am anderen Ende des Saales tauchte eine dunkel gekleidete Frau auf. Weiße Spitzen zierten den Saum ihrer ebenso weißen Haube wie auch den Kragen und den Aufschlag an den Ärmeln ihres Kleides. Schwerfällig kam sie näher. Dora meinte ein leichtes Nachziehen des rechten Beines zu bemerken, was sie sogleich an Baranami und ihre Furcht erinnerte, der flammend rot behaarte Kaufmann wäre der Leibhaftige.
    Die polnische Königin aber wirkte alles andere als teuflisch. Ihr Vollmondgesicht war von zwei kastanienfarbenen Augen, einer langen, schmalen Nase sowie einem entschlossen wirkenden Mund beherrscht. Obwohl sie mindestens das Alter ihres Vaters Wenzel erreicht haben musste, war ihre Haut makellos glatt, selbst um die Augen- und Mundpartie zeigten sich keinerlei Falten. Die in hohen Bogen geschwungenen Augenbrauen verliehen ihrem Gesicht einen allzeit erstaunten Ausdruck. Sobald sie auf ihrer Höhe war, eilte Chwałka nach einem Stuhl, den sie der Königin zum Sitzen heranrückte. Dora fand es ungehörig, so nah und aufrecht vor ihr zu stehen und auf sie hinabzusehen, wusste sich allerdings keinen Rat, wie sie aus dieser Lage herauskam. Bona Sforza schien es nicht zu stören. Gütig sah sie zu ihr auf. Um sie zum Sprechen zu bewegen, machte sie eine ausholende Armbewegung mit der rechten Hand. Erst da bemerkte Dora, dass sie in der linken einen ihr äußerst vertrauten, in braunes Leder eingeschlagenen Oktavband hielt – Laurenz Seleges Werkmeisterbuch!
    »Baranami hat nicht zu viel versprochen, Ihr habt sehr besondere Augen.« Bona Sforzas Art zu sprechen glich einem leichten Singsang. Erst bei genauerem Hinhören wurde man gewahr, dass es allein das Befremdliche einer wenig gewohnten, dennoch gut beherrschten Sprache war, die diesen Eindruck hervorrief.
    Dora schlug die Augen nieder. Mit der freien Hand berührte die Königin ihr Kinn, streckte sich dabei ein wenig aus dem Sitzen in die Höhe. Dora verstand das als Aufforderung, sie direkt anzusehen. Interessiert musterte Bona Sforza sie.
    »Ihr müsst Euch dessen nicht schämen«, erklärte sie. »Es scheinen mir ausgesprochen kluge Augen zu sein, die zu einem ganz eigenen Blick auf die Welt befähigen.« Wieder hielt sie inne, schmunzelte versonnen. Zugleich hielt sie das Buch nah vor Dora. »Ihr freut Euch offenbar, dieses Buch wiederzusehen.« Zur Bestätigung reichte sie ihr das Buch.
    Dora wollte jubeln. Kaum hatte sie mehr gehofft, es noch einmal in Händen zu halten. Zugleich schalt sie sich eine törichte Närrin. Es stand ihr Schlimmes bevor, und sie verging in der Freude über das Wiedersehen mit einem alten, reichlich abgegriffenen Notizbuch! Fest presste sie es an sich, als fürchtete sie, es gleich wieder abgeben zu müssen.
    »Ihr seid eine begnadete Baumeisterin, erzählte mir Gottlieb«, fuhr die Königin fort. »Schon an diesem Buch habe ich erkannt, welch großes Talent in Eurer Familie liegt. Gottlieb hat es von Eurer Base erhalten und mir unlängst gebracht. Er erklärte mir, der Verfasser sei Euer Urahn und habe an den großen Ordensburgen Preußens mitgebaut. Die gut einhundert Jahre alten Zeichnungen und Anmerkungen zu studieren war sehr aufregend für mich. Wie Ihr vielleicht wisst, hege ich großes Interesse an der Baukunst. Mit der Unterstützung meines lieben Gemahls ist es mir gelungen, einige sehr bedeutende Schlösser in unserem geliebten Polen herzurichten. Dazu habe ich aus meiner alten Mailänder Heimat wie auch aus Florenz und natürlich aus Nürnberg einige große Künstler nach Polen rufen können. So lange ich mich schon mit der Baukunst auseinandersetze, ist mir bislang noch nie eine Frau begegnet, die sich ebenfalls damit beschäftigt. Auch das ist sehr außergewöhnlich an Euch.«
    Erwartungsvoll sah sie Dora an. Dora fühlte sich außerstande, etwas Geistreiches auf diese unerwartete Lobpreisung zu erwidern. Fragend schielte sie zu Chwałka. Es schien ihr immer unwirklicher, sich mit der Königin über die Baukunst zu unterhalten, während das Henkerschwert weiterhin drohend über ihrem

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