Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
Ungeduld im Zaum zu halten. »Das einzig Gute daran ist, dass die beiden sich nicht hier im Vorhof bei mir zeigen. Falls sie seither noch öfter im Schloss waren, haben sie den direkten Weg gewählt und mir gnädigerweise ihren Anblick erspart.«
»Ihr habt mich falsch verstanden«, zeigte sich die Base von ihren Ausführungen unberührt. »Das Gute daran ist, dass seither schon mehr als eine Woche vergangen ist. Der König ist also nicht so leicht von den Anschuldigungen der beiden gegen Euch zu überzeugen, sonst hätte er Euch längst zu sich gerufen oder Euch vor den Richter gestellt.«
»Stimmt.« Der Bibliothekar hob den Blick. »Wir dürfen nicht vergessen, Wierzynek ist der städtische Gerichtsvogt. Schon lange schwelt der Zwist zwischen Krakau und dem königlichen Hof, weil sich die Stadt in Gerichtsangelegenheiten eigene Rechte herausnimmt. Deshalb hat Göllner auch über Wierzynek Eure sofortige Verhaftung bewirkt. Damit wollte er sichergehen, dass Ihr in jedem Fall im Gefängnis landet, ganz egal, wie der König auf das Schreiben seines Neffen aus Königsberg reagiert.«
»Ihr wisst über alles, was in den letzten Wochen geschehen ist, bestens Bescheid.« Neugierig wandte sie sich wieder an den Bibliothekar. »Warum habt Ihr all Eure Pläne umgeworfen und taucht plötzlich hier in Krakau auf?«
»Warum wohl?« Polyphemus strahlte sie an, als stünden sie einander zu Hause in Königsberg gegenüber und nicht auf dem Wawel, wo sie des heimtückischen Gattenmordes beschuldigt wurde. »Glaubt Ihr, ich hätte noch irgendeine Freude daran, neue Bücher aufzustöbern oder alte Freunde in Nürnberg wiederzusehen, während ich Euch hier im Kerker weiß? Zwar ist es meinen Freunden glücklicherweise rasch gelungen, Euch aus dem berüchtigten Stadtgefängnis zu befreien und auf den Wawel bringen zu lassen, dennoch wartet der Henker nach wie vor nur auf ein Zeichen, um Eurem Leben ein Ende zu bereiten. Also habe ich die erstbeste Gelegenheit ergriffen und bin hierhergeeilt. Die Messe und Nürnberg kann ich auch im nächsten Jahr noch besuchen. Für Euch aber könnte es dann leider schon zu spät sein.«
Bei seinen letzten Worten war die Munterkeit aus seinem Antlitz gewichen, sein Ton war gedämpfter geworden. Dora wurde die Kehle eng. Alles in ihr sträubte sich dagegen, ihre Lage für aussichtslos zu halten. Dennoch hatte Polyphemus recht, ein einziger Wink genügte, und der Henker schritt zur Tat. Ihr wurde übel.
»Mathilda, bitte!« Flehentlich ergriff sie die Hände der Base, suchte den Blick ihrer grünen Mandelaugen, ergötzte sich an den schönen Zügen ihres wohlgeformten Gesichts. »Reist, so schnell Ihr könnt, zurück nach Königsberg und nehmt Euch meiner Tochter an. Katharina König wird Elßlin und Renata zwar bestens zur Seite stehen, doch die Kleine braucht eine mütterliche Stütze, die ihr nur jemand aus der engeren Verwandtschaft geben kann. Gret ist mit ihrer eigenen Familie beschäftigt, deshalb seid Ihr die Einzige, die Johanna nahe genug steht. Bitte, versprecht mir, allzeit für sie zu sorgen und sie vor dem Übel in der Welt zu bewahren. Vielleicht gelingt es Euch sogar, Ihr ein wenig von mir zu erzählen. Versichert sie bitte, dass ich sie aus tiefstem Herzen geliebt habe.«
Die letzten Worte konnte sie nur unter größter Anstrengung hinauspressen. Verzweifelt umklammerten ihre Finger Mathildas Hände, froh, etwas Halt zu finden, sonst musste sie zu Boden sinken, so weich waren ihre Knie. Eine fleischige Hand legte sich ihr unbeholfen auf die Schulter, tätschelte sie sanft. Der strenge Geruch nach Schweiß, Tinte, modrigen Büchern und Staub verriet Polyphemus. Dennoch war Dora seine unverhoffte Nähe nicht sonderlich unangenehm. Auch Mathilda zog sie dichter zu sich heran, erwiderte ihren Händedruck.
»Verzweifelt nicht! Eure Tochter ist in guten Händen. Eure Mägde wie auch die König und Eure Schwägerin sind immer um sie herum. Ebenso werden sich Eure Brüder wie auch Euer Vater für das Mädchen verantwortlich fühlen. Ihr aber dürft hier nicht allein sein. Deshalb bleibe ich bei Euch.«
»Die Huttenbeck hat recht, so ist es am besten«, stimmte Polyphemus zu. »Ihr habt hier jeden Beistand nötig.«
Er trat wieder einen Schritt von ihr zurück, verschränkte die kurzen Arme hinter dem Rücken und wippte vor auf die Fußspitzen. Dem vorgereckten Kinn wie dem entschlossenen Ausdruck in seinen Augen war anzusehen, dass er zu einer wichtigen Erklärung ansetzte. Gespannt
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