Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
bedenken.
»Das hat mir Baranami auch schon weismachen wollen.« Zygmunt lachte auf. Plötzlich kam Leben in sein müdes Antlitz. Die Erinnerung an den rothaarigen Kaufmann schien ihn aufzuheitern. »Genau deshalb habe ich sie auf seinen Rat hin vor einigen Wochen aus dem Krakauer Gefängnis auf den Wawel bringen lassen.«
»Dabei hätte Wierzynek sie gern auf dem Krakauer Markt brennen sehen«, erwiderte der junge König nicht minder amüsiert. »Eine lutherische Hexe aus dem Land Eures geliebten Neffen aber müsst Ihr natürlich Eurer eigenen Gerichtsbarkeit unterstellen.«
»Das bin ich meinem Neffen wohl schuldig.«
»Die Königin hat sich sehr beunruhigt über den Blick der Stöckelin geäußert.« Zygmunt August wurde wieder ernst, verschränkte die Arme und schaute sich mit hochgezogenen Augenbrauen im Kreis der Hofleute um.
Göllner und der Gerichtsvogt wirkten noch leicht verunsichert ob der Bemerkungen vorhin. Die übrigen Herren spitzten die Ohren, versuchten mehr oder weniger auffällig Doras besondere Augenfarbe aus der Nähe zu betrachten.
»Aber Bona Sforza hat mich letztens selbst ihres Wohlwollens …«, versuchte Dora einzuwerfen, um sofort mit einem schroffen »Schweigt!« von Wierzynek zurechtgewiesen zu werden. Allein die Gegenwart der beiden Könige hielt ihn davon ab, die Hand gegen sie zu erheben. Auf Zygmunt Augusts Wink hin trat er nach hinten. Dennoch begann Dora zu zittern. Angst wie auch Wut stiegen in ihr auf. Göllners Grinsen wurde breiter. Eine eisige Hand umklammerte ihr Herz. Wenn die Königin sie tatsächlich mit dem Teufel in Verbindung brachte, erklärte das, warum sie nichts mehr von sich hatte hören lassen. Eine aufrechte Katholikin wurde Zygmunts fast dreißig Jahre jüngere Gemahlin genannt. Auch Dora gegenüber hatte sie letztens auf die Frage nach dem rechten Glauben angespielt. Die vielgerühmte Toleranz der Jagiellonen Andersgläubigen gegenüber musste der gebürtigen Mailänderin ein Dorn im Auge sein. Dora schalt sich ob ihrer Einfalt, vorschnell auf Bona Sforzas Großmut vertraut zu haben. Das war ein großer Fehler gewesen, wie sich nun zeigte.
»Gestattet mir anzumerken, dass ein rechtgläubiger Mensch wohl kaum mit solchen Augen auf die Welt blickt.«
Göllners Stimme klang unterwürfig. Eifrig buckelnd drängte er nach vorn, näher zu den königlichen Hoheiten hin.
»Ein rechtgläubiger Mensch?« Zygmunt gab sich von neuem belustigt. Seinem hohen Alter zum Trotz war sein Geist überraschend rege. »Das behauptet ausgerechnet Ihr, die Ihr wie die Stöckelin und all die anderen Preußen dank meines Neffen dem Lutherischen nacheifert?«
Bedächtig schüttelte er sein schweres Haupt. Der Hausvogt wich einige Schritte zurück, warf einen fragenden Blick auf den jungen König. Der war ganz in seine eigenen Überlegungen versunken. Den linken Arm vor der Brust angewinkelt, den rechten darauf abgestützt, strich er mit seinen langen, schlanken Fingern durch den zweiteiligen Bart.
»Die verschiedenfarbigen Augen der Stöckelin sind es nicht allein, die die Königin an der Frau beschäftigen«, begann er nachdenklich. »Ebenso verwundert sie das Trachten der Frau, in der Baukunst dem Talent eines Mannes ebenbürtig zu werden.«
»Aber sie selbst hat doch …«, entfuhr es Dora, um sogleich wieder zu verstummen. Zygmunt Augusts verärgertes Augenbrauenrunzeln war ihr Warnung genug. Ein Raunen durchlief die Reihe der Hofleute. Göllner und Wierzynek tauschten zufriedene Blicke. Dora biss sich auf die Lippen, zwang sich mit aller Kraft, stillzuhalten.
»Ganz zu Unrecht geschieht dies wohl nicht«, warf der alte König zu ihrer Erleichterung ein. »Die Königin hat mir die Aufzeichnungen der Stöckelin gezeigt, ebenso das Werkmeisterbuch ihres Ahns. Ihr wisst, wie bewandert Bona Sforza in solchen Dingen ist. Ihrer Meinung nach spricht ein großes Talent aus den Arbeiten der Stöckelin.«
»Dennoch hat Euch Euer Neffe ein Schreiben aus Königsberg geschickt, in dem schwere Vorwürfe gegen sie erhoben werden«, erinnerte der junge König seinen Vater an den eigentlichen Zweck der Anhörung, was Göllner mit einem lauten Aufatmen begleitete. »Zudem hat er in dieser Angelegenheit eigens seinen Hausvogt hierherreisen lassen.«
Ein lautes Brummen des Alten war zunächst die einzige Antwort. Zygmunts Kopf kippte nach vorn. Eine gespannte Stille breitete sich im Kreis der Versammelten aus. Schwerfällig hob Zygmunt schließlich wieder sein Haupt und drehte sich, um
Weitere Kostenlose Bücher