Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
feierlichem Ton nachsetzte: »Ist eine Frau, die derart schamlos agiert, Eurer Gnade würdig?«
Dora stockte der Atem. Der Blick, den der junge König ihr zuwarf, weckte in ihr den Wunsch, auf der Stelle im Boden zu versinken.
12
G öllners ungeheuerlicher Anklage folgte betretenes Schweigen. Dora musste sich gar nicht erst im Saal umsehen, um zu wissen, wie entsetzt die Hofleute mit den Schnitzköpfen an der Decke um die Wette auf sie blickten. Selbst die wilden Tiere und hochgerüsteten Ritter auf den Wandteppichen schienen zutiefst erschrocken ob der Beschreibung ihrer verdammenswerten Natur. Sie zwang sich, einen kühlen Kopf zu bewahren, tastete wieder nach dem Beutel mit dem Öl, rief sich seinen Duft wie auch das Bild der blauen Göttin vor Augen. Bestärkt von der Erinnerung, reckte sie das Kinn, suchte herausfordernd Göllners Blick. »Seid Ihr endlich fertig mit Euren Lügengeschichten?«
Ihr kühnes Auftreten überraschte ihn, wie das unsichere Flackern in seinen Augen bewies. Auch Gerichtsvogt Wierzynek knurrte verdutzt, ebenso murrten die Hofleute. Der alte König Zygmunt aber schaute sie neugierig an. Als Zygmunt August dem hinter ihr stehenden Wachmann ein Zeichen geben wollte, sie fester zu packen, wehrte Zygmunt ab. »Lass sie. Nachdem wir dem Hausvogt so geduldig Gehör geschenkt haben, steht ihr dasselbe Recht zu. Immerhin ist sie die Witwe des ehrwürdigen Kammerrats Stöckel.«
»Aber Vater!«, begehrte Zygmunt August auf, der Alte gab ihr jedoch ein Zeichen zu sprechen.
»Habt aufrichtigen Dank.« Sie versank in einem tiefen Knicks vor dem König, ehe sie mutig begann: »Leider habt Ihr, lieber Göllner, bei Euren ausführlichen Schilderungen vorhin einen sehr wichtigen Punkt vergessen. Dabei würde genau der den Majestäten den wahren Grund für Euer großes persönliches Interesse an den angeblich unterschlagenen Unterlagen des Herzogs begreiflicher machen und auch auf den Unfalltod meines Mannes ein völlig anderes Licht werfen. Ganz bewusst habt Ihr nämlich verschwiegen, dass Ihr vor gut zwanzig Jahren auf Betreiben meines Gemahls und des Nürnberger Rechtsgelehrten Singeknecht von Herzog Albrecht aus seinen Diensten entlassen wurdet.«
»Das ist doch …«, wollte Göllner dazwischengehen, doch ein Wink Zygmunt Augusts hieß ihn gleich wieder verstummen.
»Weiter!« Aufmunternd nickte der alte König ihr zu.
»In den besagten Papieren meines verstorbenen Mannes, deren Diebstahl ich vorhin bezichtigt wurde, findet sich eine genaue Schilderung der unsauberen Machenschaften, die zu Göllners damaliger Entlassung führten. Nicht der Herzog, sondern sein Hausvogt will die Unterlagen haben. Albrecht hat er nur eingeredet, es läge in seinem Interesse. Noch ehe der Herzog jedoch ein Auge darauf werfen kann, wird Göllner sie für immer vernichten. Damit wären ein für alle Mal die Beweise aus der Welt, was seinerzeit wirklich geschehen ist. Ebenso sollen auch Singeknecht und ich am besten für immer zum Schweigen gebracht werden. Deshalb hat Göllner Herzog Albrecht überredet, mich am Hof seines Oheims anklagen zu lassen. Singeknecht ist glücklicherweise noch rechtzeitig entwischt …«
»Milcz, małpa!«, zischte Wierzynek.
Göllner versetzte ihm einen sanften Stoß in die Seite und rang sich zu einem Lächeln durch. »Ich verstehe Eure Verzweiflung, liebe Stöckelin. Alles ist Euch recht, um Euren Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Aber leider ist Euch da wohl im Eifer des Gefechts ein kleiner Fehler unterlaufen. Immerhin habt Ihr gerade selbst zugegeben, besagte Papiere zu besitzen. Wie sonst solltet Ihr wissen, was darin steht?« Er hielt inne, vergewisserte sich der Aufmerksamkeit der beiden Könige. Triumphierend kreiste alsdann sein Blick über die Gesichter der Hofleute, die zustimmend nickten. »Doch anders, als Ihr hier den Anschein erwecken wollt, wisst Ihr so gut wie ich, dass es sich bei den vom Herzog vermissten Unterlagen nicht um unverschämte Anschuldigungen gegen mich, sondern um wichtige Schriftstücke zur herzoglichen Haushaltsführung handelt. Wider besseres Wissen habt Ihr sie auf die Seite geschafft und tut jetzt einfach so, als ginge es um etwas ganz anderes. Das aber dient allein der Ablenkung von Eurem hinterhältigen Treiben!«
»Warum sollte ich Unterlagen zur herzoglichen Haushaltsführung beiseiteschaffen, wie Ihr es nennt?« Sie unterstrich das Abwegige dieser Vorstellung durch ein helles Auflachen, was, wie sie aus dem Augenwinkel bemerkte, bei
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