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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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ihr zu, wies mit dem Kopf zu Wenzel, der sich abseits des Tisches leise mit Mathilda unterhielt.
    »Väter und Söhne teilen manchmal mehr miteinander, als man meint«, stellte er fest. »Gerade, was verborgene Leidenschaften angeht.«
    Fragend zog Dora die Augenbraue hoch. Ehe sie etwas erwidern konnte, erhob sich Gret schwerfällig von ihrem Platz. Die Schwangerschaft hatte sie heftig aufgedunsen. In einem eigenartigen Entengang watschelte sie zu Veit und seinem Vater, umarmte erst den jungen, dann den alten Singeknecht.
    »Ich freue mich, dass neben meinem Oheim auch mein Vetter wieder bei mir ist«, erwiderte sie. »Bei so viel Familie meines Mannes ist es mir wichtig, wenigstens zwei eigene Blutsverwandte bei mir zu haben.«
    Noch einmal legte sie dem alten Singeknecht den Arm um die Schultern, drehte ihn wie zufällig leicht zu Dora hin und lächelte sie an. Die beiden so dicht beieinander zu sehen, meinte Dora auf einmal, eine deutliche Ähnlichkeit zwischen ihnen zu erkennen. Es war nicht allzu offensichtlich, aber wenn man sie einmal gewahr geworden war, ließ sie einen nicht mehr los: Beide hatten die gleiche Art, die Augen weit aufzureißen und ihr Gegenüber anzuschauen. Ebenso hielten sie die Köpfe in derselben Art kaum merklich schief. Ein kurzer Blick auf Veit versicherte sie, dass auch ihm diese Geste eigen war.
    »Er ist dein …?«, wisperte sie leise, als Gret freudestrahlend zu ihr kam und sich bei ihr einhakte. Sie traten von den anderen weg, um sich in der Ecke nahe beim Fenster auszutauschen. Gret nickte glücklich. Dora taumelte, umklammerte haltsuchend Grets Arm. Die Angst, die sie kurz nach Urbans Hinscheiden beim Blick in Grets Augen beschlichen hatte, fiel von ihr ab. »Aber woher weißt du das? Hat er es dir selbst …«
    »Ja, allerdings nicht ganz freiwillig«, wisperte Gret aufgeregt. »Bislang hielt ich ihn für meinen Oheim vierten Grades. Mechthild aber fand die Ähnlichkeit zwischen uns viel zu stark, um über so viele Ecken so deutlich sichtbar zu sein. Also habe ich auf unserer gemeinsamen Rückreise von Marienwerder nach Königsberg all meinen Mut zusammengerafft und ihn einfach gefragt.«
    »Du hast was?« Dora war verblüfft. »Und er hat es zugegeben?«
    »Was blieb ihm übrig?« Gret lächelte. »Von Anfang an hat ihn wohl das schlechte Gewissen geplagt. Immerhin wollte er meine Mutter erst nur trösten. Im letzten Moment hatte er sie damals in Nürnberg vor Göllner gerettet. Stell dir vor, allein aus Wut über Urban wollte der sie tatsächlich …«
    »Schon gut«, unterbrach Dora sie. Diesen Teil der Geschichte kannte sie zur Genüge. »Wie kommt es, dass ein so ehrwürdiger Mann wie Singeknecht …«
    »Meine Mutter muss wirklich sehr schön gewesen sein. Als er sie nach Urbans Weggang vor Göllner beschützte, fühlte sie sich wohl sehr zu ihm hingezogen. Vergiss nicht: Urban war für immer aus ihrem Leben verschwunden, Göllner eine weiterhin dräuende Gefahr und Singeknecht der selbstlose Retter, noch dazu mit einer gewissen Ähnlichkeit zu Urban. Es kommt durchaus vor, dass man in jemandem das Abbild des fernen Geliebten sieht, sich ihm hingibt, obwohl man eigentlich den anderen meint.«
    Sie hielt inne, schenkte Dora einen vielsagenden Blick. Verlegen senkte Dora die Augen.
    »Sobald meine Mutter merkte, dass sie schwanger war, wollte er alles Erdenkliche für sie tun. Sie aber fühlte sich schuldig, schickte ihn zu seiner Frau und seinem Sohn zurück und nahm ihm das Versprechen ab, sich künftig für einen entfernten Oheim auszugeben. Nach ihrem Tod im Kindbett hat er all die Jahre schützend seine Hand über mich gehalten.«
    Die letzten Worte erstickten in aufsteigenden Tränen. Verstohlen wischte sie sich die Augenwinkel. Dora strich ihr tröstend über die Schultern. Gret dankte ihr das mit einem neuerlichen Lächeln und beschwor sie: »Versprich mir, Veit gegenüber nie ein Wort darüber zu verlieren. Bitte!«
    »Wenn dir das so wichtig ist, verspreche ich es dir.« Noch einmal schlang sie die Arme um die Schwägerin.
    »Ich sehe schon, ihr beide seid sehr froh, euch wiederzuhaben. Ist in eurem Bund noch Platz für einen Dritten?«
    Augenzwinkernd stand Veit plötzlich neben ihnen. Sie erschraken, wechselten besorgte Blicke, ob er etwas von ihrem Gespräch mitbekommen haben mochte. Seine ungebremste Fröhlichkeit aber zerschlug ihre Befürchtungen sogleich wieder. Derart unbeschwert würde er nach einer solchen Nachricht über seinen Vater wohl kaum

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