Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
sich gut darauf, die Huttenbeck im Haus zu vertreten«, erklärte Renata. »Zusammen mit der König hat sie euch ein feudales Mahl bereitet.«
»Mein Vater hat eine neue Magd?«
»Eigentlich hat eher deine Schwägerin eine neue Magd. Du wirst sie gleich kennenlernen. Es hat sich einiges geändert. Geht nur rasch alle nach oben, dann werdet ihr es selbst feststellen.«
Mit der freien Hand scheuchte sie sie zur Treppe. Dora freute sich, die oft so verwirrte Magd wieder ganz in der früheren Bestimmtheit zu erleben. Anscheinend hatte sie sich endlich von den Schrecken des Feuers erholt. Beschwingt von der Aussicht, damit wieder ihre bewährte Unterstützung aus Kindertagen im Haus zu wissen, eilte sie die Treppe hinauf. Falls alles gutging, war es nur eine Frage der Zeit, bis Mathilda den Haushalt verließ, um künftig für ihren Vater Wenzel zu sorgen. Vorausgesetzt, sie kam mit der neuen Magd bei Gret klar.
Vollauf beschäftigt mit der Vorstellung, wie die neue Magd aussehen mochte, übersprang Dora gleich zwei Stufen auf einmal. Am oberen Treppenabsatz aber hielt sie so abrupt inne, dass Veit, der ihr dicht auf den Fersen war, in sie hineinlief. Sie stolperte und schwankte. Schützend breitete er die Arme nach ihr aus und drückte sie fest an sich.
»Ich fürchte mich so«, murmelte sie mehr zu sich selbst als zu ihm. Dennoch hatte er ihre Worte vernommen.
»Vertraut auf die Kraft der Liebe, dann wird sich alles finden.« Sanft strich er ihr über die Wange. Sie genoss es, die Wärme seiner Hand zu spüren, und hauchte einen Kuss darauf.
Hand in Hand gingen sie zur Wohnstube. Die Stille im Haus ließ jeden ihrer Schritte auf dem Dielenboden umso lauter erschallen. Längst mussten die Wartenden in der Stube wissen, dass sie gleich vor ihnen auftauchen würden. Das Schweigen hinter der Tür verriet, wie gebannt auch sie dem Moment entgegensahen. Mit zittriger Hand drückte Dora die Klinke herunter.
Wie erwartet sahen ihr von drinnen mehr als ein halbes Dutzend Augenpaare entgegen. Rasch glitt ihr Blick über die Köpfe, nickte der am Tisch sitzenden Gret, dem neben ihr stehenden Jörg wie auch dem Vater, Lienhart und der König zu. Dann endlich erreichte sie Elßlin, die am Kopfende auf Urbans früherem Platz thronte und ein erstaunlich großes Kind auf den Armen hielt. Renata hatte recht, beide waren in den letzten Monaten erstaunlich gewachsen.
»Johanna!« Zärtlich rief Dora den Namen ihrer Tochter und näherte sich auf leisen Sohlen den beiden. Gebannt schaute ihr das Mädchen mit den dichten Locken entgegen. Im letzten Tageslicht leuchtete sein Haar noch bernsteingoldener auf. Als sie auf Armlänge heran war, blitzte etwas in den grünbraunen Augen auf. Auf einmal streckte es die kurzen Arme aus und begann unruhig auf Elßlins Armen zu zappeln. Die zierliche Magd hatte Mühe, es festzuhalten, wisperte ihm zugleich einige Silben eindringlich ins Ohr. Leicht wandte Johanna den Kopf, beobachtete aufmerksam, wie Elßlin die Lippen formte. Dann lachte die Kleine vergnügt auf, patschte in die Hände und jauchzte: »Ma-ma!«
Dora taumelte vor Freude, stürzte auf sie zu, hob sie hoch und drehte sich schwungvoll mit ihr auf den Armen einmal um die eigene Achse. Johannas Jauchzen wurde noch lauter. Auch wenn Dora wusste, dass Elßlin dem Kind die Silben eingeflüstert hatte und es wohl kaum deren Bedeutung ahnte, war es doch eine große Freude zu spüren, wie vertraut es gleich mit ihr tat. Also hatte Elßlin ihre Aufgabe sehr ernst genommen und der Kleinen deutlich gemacht, wie sie zueinander standen. Dankbar lächelte sie ihr über den duftenden Lockenschopf des Kindes zu.
Inzwischen waren auch die anderen in der Stube eingetroffen. Polyphemus war gleich zu seiner Gemahlin Katharina König geeilt und hatte sie innig umarmt. Mathilda begrüßte erst Gret und Jörg überraschend herzlich, strich dann Lienhart wohlwollend über das Haar, dann trat sie mit einem werbenden Lächeln auf dem Gesicht zu Wenzel. Der zog erstaunt die Augenbrauen nach oben und wusste wohl nicht so recht, wie ihm geschah.
»Ich freue mich sehr, Euch wiederzusehen, lieber Wenzel Selege«, sagte sie und suchte seinen Blick.
Zwar war es ungehörig, die beiden zu beobachten, dennoch konnte Dora die Augen nicht von ihnen abwenden. Mathilda war wieder die eindrucksvolle Schönheit, als die sie sie auf dem Wawel unverhofft erlebt hatte. Der Vater also war die Liebe, die der Base in Krakau den Weg zu sich selbst gewiesen hatte. Inständig
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