Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
wünschte sie ihr gutes Gelingen, ihn von ihrem Wandel zu überzeugen.
Auf Wenzels breitem Gesicht zeigte sich zunächst keinerlei Regung. Starr blickte er Mathilda an, die ebenso groß war wie er selbst. Ihre Lippen zuckten unruhig, die grünen Augen ruhten in seinen braunen. Dann huschte ein kaum merkliches Lächeln über sein Antlitz. Dora war, als zitterte sein graues Barthaar. »Alles wird gut«, hörte sie eine wohltönende Stimme in ihrem Ohr. Der warme Atem kitzelte ihr im Nacken. Johanna streckte neugierig die Hand nach Veits Nase aus, die er ihr über Doras Schulter hinweg entgegenhielt. Geduldig ertrug er, wie die kurzen Finger ihn in die Nasenspitze kniffen.
»Mathilda, meine Liebe!«, erklang plötzlich Wenzels Stimme vom anderen Ende des Tisches. »Die Freude, Euch wiederzusehen, ist ganz meinerseits. Ihr habt meiner Tochter so selbstlos beigestanden. Nie werde ich Euch das vergessen. Ich stehe tief in Eurer Schuld.«
Die Hand aufs Herz gelegt, deutete er eine Verbeugung an. Als er sich wieder aufrichtete, zögerten beide kurz, dann fielen sie einander aufs herzlichste in die Arme. Dora meinte, alle anderen im Raum atmeten im selben Moment auf. Sie äugte zu Gret und dem neben ihr stehenden Jörg. Beide erwiderten ihren Blick mit einem erleichterten Lächeln. Lediglich der zwölfjährige Lienhart schaute etwas verkniffen. Ihm graute offensichtlich davor, Mathilda könnte ihn zu streng behandeln, falls sie zu ihnen in den Haushalt zog. Schon beugte sich Jörg zu seinem jüngeren Bruder und wisperte ihm etwas ins Ohr. Sogleich hellte sich seine Miene wieder auf.
»Zeit zu essen!«, ertönte eine befehlsgewohnte Stimme von der Tür. Als Dora sich umdrehte, stand dort eine Frau mit einem auffälligen Buckel. Vor der Brust trug sie ein prall gefülltes Tablett mit unzähligen verheißungsvoll dampfenden Schüsseln. Beim Lächeln entblößte sie zwei Reihen riesiger schiefer Zähne. Trotz der offensichtlichen Verwachsungen strahlte sie eine Herzlichkeit aus, die sofort Vertrauen zu ihr fassen ließ. Hinter ihr reckte Renata ihren winzigen Schädel in die Höhe und gab Dora deutliche Zeichen der Zustimmung.
»Ihr seid also die neue Magd im Haushalt meines Vaters«, wandte sich Dora an die Frau. »Wie schön, Euch heute hier bei uns zu haben. Mir scheint, unsere Familie wird immer größer.«
Ihr Blick wanderte über die Tafel. Längst hatte Elßlin sich unauffällig von Urbans Platz erhoben und in aller Stille aufgedeckt. Ein Gedeck schien zu viel. Erstaunt zählte Dora noch einmal die Köpfe ab. Da erklangen Schritte auf der Treppe, und kurz darauf erschien jemand in der Tür. Bereitwillig machte die bucklige Magd Platz und hieß den Fremden eintreten.
So fremd schien er Dora allerdings nicht. Im Gegenteil. Kaum erblickte sie das Gesicht des Mannes, der etwa eine Handvoll Jahre mehr zählen mochte als ihr Vater Wenzel und ihr verstorbener Gemahl, glaubte sie ihn schon lange sehr gut zu kennen. Sehr viel hatte er von Urban. Ihr Schafgarbentraum kam ihr in den Sinn, das seltsame Gefühl, Urban darin in jungen Jahren gesehen zu haben. Kein Wunder, besaß doch auch der alte Singeknecht viele Züge, die an Urban erinnerten.
»Ihr müsst Veits Vater sein. Ich freue mich sehr, Euch endlich persönlich kennenzulernen.« Sogleich eilte sie auf ihn zu, um ihn willkommen zu heißen. Johanna zappelte auf ihren Armen ebenfalls fröhlich beim Anblick des Mannes. Sie schien ihn bereits zu kennen. Flink nahm Renata sie ihr ab und verließ mit Elßlin und der neuen Magd den Raum. »Mir ist, als gehörtet Ihr schon lange zu unserer Familie«, sagte Dora zu Veits Vater. »Durch die Aufzeichnungen meines Mannes aus seinen Nürnberger Jahren habe ich schon viel von Euch gehört, ebenso seid Ihr mir natürlich durch die Erzählungen Eurer Krakauer Freunde sehr ans Herz gerückt. Habt vielen Dank, dass Ihr die wichtigen Unterlagen aus Nürnberg an Gottlieb geschickt habt.«
»Das war doch selbstverständlich.« Er nickte bedächtig, dann trat er zu seinem Sohn, umarmte ihn herzlich. »Mein Junge, wie gut, dich wohlbehalten zurückzuhaben.«
Die beiden schienen tiefe Zuneigung füreinander zu empfinden, wie Dora gerührt feststellte. Zufällig streifte ihr Blick Gret und Jörg, die das Wiedersehen der beiden Singeknechts ebenfalls beobachteten, wanderte weiter zu Lienhart. Ob ihr Vater seine Söhne jemals so zärtlich in die Arme schließen würde? Ihr älterer Bruder schien ihre Gedanken zu ahnen. Verschmitzt zwinkerte er
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