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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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behaglich auf dem schmalen Sitzbrett zurecht.
    »Was geschehen ist, ist geschehen und kann nicht mehr rückgängig gemacht werden«, erwiderte sie. »Da ist es wohl besser, den Blick nach vorn zu richten und sich für eine bessere Zukunft zu rüsten.«
    »Irgendwoher kenne ich diese Einsicht.« Versonnen schaute der Bibliothekar durch die schmale Öffnung der Wagenplane nach draußen, wo sich die wohlbekannte Silhouette der Königsberger Städte nebst den Türmen und Mauern des Schlosses abzeichneten. Ein milchiger Nebelschleier, den beiden Flussarmen des Pregels entstiegen, umhüllte zärtlich die Konturen. Die Abenddämmerung nahte. Eine beruhigende Stille senkte sich über das Land. »Diese Zeilen habe ich vor mehr als zwei Jahren in einer wunderschönen Handschrift gelesen, die mir Eure Schwägerin für wenige Tage überlassen hat. Glücklicherweise hat sie das kostbare Buch aus den Ruinen Eures abgebrannten Elternhauses retten können.«
    »Hat das Minnesangbuch das Flammenmeer überstanden?« Erfreut rückte Dora auf ihrer Sitzbank nach vorn. »Nie hat meine Schwägerin mir erzählt, dass sie es an sich genommen hat. Es ist ein sehr altes Buch, das einem Oheim meiner Urahnin Agnes gehört haben muss. Er soll ein begeisterter Leser von Minnesang und Heldenepen gewesen sein.«
    »Minne und Heldentum scheint unter Euren Vorfahren fast ähnliche Bedeutung besessen zu haben wie das Bierbrauen und die Baukunst.« Polyphemus lächelte verschmitzt. »Ihr wisst hoffentlich, wie wichtig es ist, die Traditionen der Vorväter nicht nur brav zu bewahren, sondern durch Leidenschaft lebendig zu halten, damit die Flamme weiter brennt und die Glut nicht erlischt.«
    Wie zufällig wanderte sein Blick wieder nach draußen, wo gerade Veit Singeknecht auf seinem stolzen Braunen in Sicht kam. Als hätte er seine Worte verstanden, drehte er sich im Sattel um und winkte ihnen zu. »Bald haben wir das Ziel unserer Reise erreicht.«
    Dora dankte es ihm mit einem seligen Lächeln.
    Den Rest der holprigen Fahrt saßen sie schweigend unter der Plane, jeder seinen eigenen Gedanken ergeben. Vom Haberberg kommend, erreichten sie die Brücke über den alten Pregel und das südliche Tor in den Kneiphof. Sie hatten Glück. Ohne lang warten zu müssen, gelangten sie hinein.
    Auf der Langgasse drängten sich die Händler, die nach erfolgreichen Geschäften wieder aus der Stadt herauswollten. Bald schon kam die Krämerbrücke in Sicht, und von dort war es eine kurze, auf dem letzten Teil des Mühlenbergs sehr steile Fahrt. Der Fuhrmann brachte den Wagen auf dem Vorplatz des Marstalls zum Stehen. Von dort liefen sie die wenigen Schritte bis zu Urbans Haus zu Fuß.
    Dora eilte allen voran. Kaum konnte sie es erwarten, ihr Kind in die Arme zu schließen. Veit wich ihr nicht von der Seite. Die anderen folgten mit etwas Abstand. An der Tür angekommen, hörte Dora ein wohlvertrautes Miauen. Gleich strich ihr die dreifarbige Katze mit ihrem geschmeidigen Körper um die Beine. »Miranda!« Erfreut bückte sie sich, um die Katze aufzunehmen. Das kluge Tier sah ihr geradewegs in die Augen, bevor es sich schnurrend an sie schmiegte. Veit ließ den eisernen Klopfer auf die Tür fallen, doch schon im nächsten Moment wurde von innen geöffnet.
    »Dora!« Die dürre Renata breitete die Arme aus, und Dora sank ihr entgegen. Mirandas Schnurren wurde lauter.
    »Da bist du ja auch wieder.« Als sich Dora von ihr gelöst hatte, übernahm Renata mit einem Leuchten in den Augen die Katze und liebkoste sie zärtlich.
    »Über Wochen war sie fort«, erzählte sie. »Ich wusste gleich, dass dir etwas Schlimmes zugestoßen sein muss. Wenn die Feuerkatze aus dem Haus verschwindet, bedeutet das großes Unglück.«
    »Jetzt sind wir beide wieder zurück. Das Glück kann also wieder Einzug halten«, entgegnete Dora und schaute ungeduldig in die Diele. »Wo ist Johanna? Hat Elßlin gut auf sie aufgepasst?«
    »Du wirst staunen. Sie ist ordentlich gewachsen«, erwiderte Renata und grinste verschmitzt. Endlich ließ sie auch Veit und die anderen eintreten. »Zum Glück ist der Bote mit der Nachricht von eurer Ankunft gestern schon eingetroffen. So haben wir oben alles in Ruhe herrichten können, um euch einen angemessenen Empfang zu bereiten.«
    Wie zur Bestätigung ertönte im Obergeschoss ein heftiges Poltern, gefolgt von emsigem Topfgeklapper. Da erst wurde Dora des angenehmen Essensgeruchs gewahr, der durchs Haus zog.
    »Mechthild, die neue Magd bei deinem Vater, versteht

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