Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
Küche als äußerst schwierig erwies. »Über seine Pläne hat mein Vater noch nie mit mir geredet.«
Fahrig strich sie mit den Fingern über die Schürze, die sie beim Hantieren in Werkstatt und Küche über dem guten Rock zu tragen pflegte. Sorgfältiger als nötig säuberte sie die Fingerkuppen von den letzten Spuren des Leinöls und des Leims. »Ich muss in die Werkstatt.« Rasch schlängelte sie sich an Veit vorbei auf den Gang, emsig darum bemüht, jede noch so kleine Berührung mit ihm zu vermeiden. Ihr Herz raste, die Knie wurden ihr weich. Kaum gelang es ihr, ohne zu stolpern den Flur zu überqueren.
In der gegenüberliegenden Werkstatt, die die gesamte Vorderseite des Hauses einnahm, war es heller und zudem weitaus weniger eng als in der fensterlosen Küche. Dort konnte sie Veit ohne große Mühe aus dem Weg gehen, sich notfalls hinter dem großen Zeichentisch vor dem Fenster verschanzen. Wie befürchtet, folgte er ihr dicht auf den Fersen. Sie verbarg sich hinter der Aufgabe, den Aufriss, der auf dem Tisch auslag, genauestens zu prüfen. Tief beugte sie sich darüber. Ehe sie sichs versah, tat Veit es ihr von der gegenüberliegenden Tischseite aus nach, kam ihr mit dem Gesicht so nah, dass sich ihre Nasenspitzen fast berührten. Sie schreckte hoch.
»Was habt Ihr?« Langsam richtete auch er sich wieder auf, sah sie eindringlich an. Sie begann am ganzen Leib zu zittern und wusste nicht, wie sie ihm ausweichen sollte. Irgendwo im Haus knallte eine Tür, Mathilda schimpfte. Gleich räusperte sich Veit in die gesunde rechte Faust und brachte in heiserem Ton heraus: »Glaubt mir, Euer Aufriss stimmt in allen Punkten. Es liegt allein an Miehlkes Unfähigkeit, den richtigen Stein für das Haus zu beschaffen. Das habe ich ihm vorhin bereits gesagt.«
»Ihr wisst, was er bemängelt hat?«
»Natürlich. Kaum habt Ihr ihm gestern den Rücken gekehrt, hat er sich bei mir beschwert. Ausführlich hat er mir erklärt, was ihn an Eurem Entwurf stört. In Wahrheit aber fällt es ihm einfach nur schwer, mit einer Frau als Baumeisterin zu arbeiten. Ihr kennt ihn schon lang, oder? Euer Bruder Jörg ist mit ihm befreundet, hat er mir erzählt. Am liebsten würde er das Haus unter Anleitung Eures Bruders errichten. Es wäre wohl ihre erste gemeinsame Baustelle als Meister ihrer Zunft.«
»Insgeheim hält Miehlke sich einfach für den besseren Baumeister und möchte die Fassade nach seinen Vorstellungen gestalten.« Langsam kehrte ihre Sicherheit zurück. »Mein Entwurf gefällt ihm nicht. Die Ausmaße des Erkers erscheinen ihm zu groß, zugleich bemängelt er zu viele und zu hoch aufragende Fialen. Die Fensterkreuze möchte er sowieso weitaus schlichter haben. Ohnehin hält er vier statt fünf Fenster im ersten Geschoss für ausreichend. Das aber stört den Gesamteindruck, und zudem fehlt es dann in der Wohnstube am richtigen Licht, um den schönen Ofen sowie die von meinem Gemahl in Gent bereits in Auftrag gegebenen Teppiche zur Geltung zu bringen. Über Wochen hat Urban mit dem herzoglichen Bibliothekar die Bücher gewälzt, um sich über die passenden Motive klarzuwerden. Als ehemaliger Ordensmann hegt er ganz bestimmte Vorlieben.«
»War Euer Gemahl eigentlich in den letzten Jahren auf dem Wawel in Krakau zu Gast? Zygmunt ist ein großer Sammler von Teppichen. Er lässt sie in Arras fertigen, heißt es. Auch wenn er als mächtiger König von Polen und Großfürst von Litauen aus Goldfäden wirken lässt, so dürfte seine Auswahl für Euren Gemahl hinsichtlich der Motive doch eine hervorragende Anregung bieten.«
»Ich glaube, die Idee mit den Teppichen geht tatsächlich auf Urbans Besuche auf dem Wawel zurück.« Fasziniert schaute Dora Veit an. Sein Wissen begeisterte sie. Anders als sie war er schon viel in der Welt herumgekommen. »Als herzoglicher Kammerrat genießt er das Privileg, gelegentlich an Albrechts Seite zu reisen und die Kostbarkeiten der Potentaten in Augenschein zu nehmen. Herzog Albrecht legt bei der Einrichtung seines Schlosses großen Wert auf den Rat meines Gatten.«
Urbans selbstverständlicher Umgang mit den Großen und Mächtigen flößte Veit offenbar Respekt ein. Kaum merklich zog er die Schultern hoch. Schon überlegte sie, wie sie den Eindruck wieder wettmachen konnte, sich mit dem Ansehen ihres Gemahls brüsten zu wollen.
Veits hohe Stirn glänzte, die grünbraunen Augen funkelten, um seinen geraden Mund lag ein spöttischer Zug. »Im Gegensatz zu Eurem Gemahl hat Miehlke seine Heimat
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