Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
Seine Leute fehlen auch. Fürs Erste kommen wir ohne ihn klar.« Veit verteidigte den Platz zu ihrer Linken und drängte Zahnke behutsam, aber zielsicher ein wenig ab.
Ihn wieder so nah bei sich zu wissen wie bei ihrem Ausflug zum Schlossgarten, verunsicherte Dora. Sie hoffte, ihre Finger fingen nicht zu zittern an. Sie räusperte sich und begann ihren Entwurf zu erklären. Mit jedem Satz gewann sie an Sicherheit, bald war sie ganz in ihrem Element und erläuterte die Ausmaße des Baus, wies auf die ersten Besonderheiten bei der Anlage des Kellers hin und deutete den Verlauf der Mauerfluchten an. Aufmerksam hörten die Männer zu. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass selbst auf Miehlkes Antlitz das spöttische Grinsen einem ernsten Ausdruck Platz gemacht hatte.
»Wenn alles so weit klar ist, sollten wir beginnen.« Unter seiner Schaube zog Veit Schnur, Holzpflock und Hammer hervor, kaum dass sie den letzten Satz beendet hatte. Die linke Hand wollte ihm noch nicht so recht gehorchen. Viel zu früh hatte er die Schiene von dem verletzten Arm entfernt. Als er den Pflock damit fassen wollte, fiel er zu Boden.
Unwillkürlich bückte sich Dora, hob ihn auf und reichte ihn ihm. Dabei trafen sich ihre Blicke. Für einen Moment meinte sie in dem unendlichen Grünbraun seiner Augen versinken zu müssen.
»Danke Euch.« Veits rauh klingende Stimme verwirrte sie vollends. Eilig wandte er sich ab und stapfte durch den aufgeweichten Boden tiefer in das Grundstück hinein. Die anderen folgten ihm schweigend. Als Letzte erreichte Dora die hintere Ecke, von der aus die auszuhebende Grube vermessen wurde. Veit reichte ihr den Pflock und den Hammer. »Oder soll ich für Euch den Einschlag vornehmen?«
»Wenn Ihr der Stöckelin alles abnehmt, könnt Ihr auch gleich selbst der Wortführer hier sein.« Sofort nutzte Miehlke die Gelegenheit, den alten Streit wieder aufflammen zu lassen. »Doch seid vorsichtig! Ihr Gemahl sieht es nicht gern, wenn man seiner Gemahlin zu nahe tritt.«
Entsetzt starrte Dora ihn an. Das hämische Grinsen auf dem breiten Gesicht bewies ihr, wie richtig sie mit ihrer Befürchtung lag. Seinem ungehobelten Auftreten zum Trotz erfasste Miehlke immer genau das am besten, was man eigentlich vor ihm verbergen wollte. Ihre Hand zitterte, als sie das Werkzeug von Veit entgegennahm. Sorgfältig achtete sie darauf, seinen Fingern nicht zu nahe zu kommen, und bückte sich, um mit einem kräftigen Schlag den ersten Pflock für den Aushub zu setzen.
18
G edankenverloren rührte Dora im Topf. Den beißenden Fischgeruch, der ihm entstieg, nahm sie kaum wahr. Zu sehr war sie damit beschäftigt, sich ganz auf die Berechnungen für den Erker im ersten Geschoss von Urbans neuem Haus zu konzentrieren. Am Morgen hatte Steinmetzmeister Miehlke zum wiederholten Mal seine Weigerung kundgetan, die Fialen über dem Erker in der von ihr berechneten Höhe und Form auszuführen. Gegen ihren Willen grübelte sie nun doch darüber, ob ihr bei der Planung ein Fehler unterlaufen war. Mittels der Kopie des von ihm so spöttisch erwähnten Entwurfs für ein »Bürgerhaus aus Ziegelstein mit drei Stockwerken und einem mehrgeschossigen Stufengiebel« aus Laurenz Seleges Werkmeisterbuch wollte sie dem aufmüpfigen Steinmetzmeister beweisen, dass wirklich möglich war, was sie sich ausgedacht hatte. Leute wie ihn musste man mit den eigenen Waffen schlagen. Wahrscheinlich aber wollte er auch danach nicht so, wie sie wollte. Dora ahnte genau, warum das so war. Zumindest stand er zu seiner Einstellung. Auf der Baustelle letztens hatte er kein Blatt vor den Mund genommen, leider nicht allein zu der leidigen Frage mit der Fiale.
Im Topf begann es zu brodeln. Aus der zähflüssigen Masse stiegen dicke Blasen auf. Sie rührte kräftiger von unten herauf. Ein Tropfen des heißen Leims spritzte auf ihren Handrücken. »Autsch!« Erschrocken zog sie die Hand zurück. Es brannte höllisch. Tränen traten ihr in die Augen. Am liebsten hätte sie das Aufkochen gleich wieder seinlassen. Es fehlte ihr derzeit einfach der Kopf dafür. Die Rechnerei für die Fiale war es nicht allein, die sie durcheinanderbrachte. Seit dem Besuch auf der Baustelle war ihr inneres Gleichgewicht völlig aus dem Lot. Veit bei jeder Mahlzeit direkt neben sich zu wissen, die Wärme seines Körpers zu spüren, seinen Geruch einzuatmen, das alles war schon Folter genug. Warum aber bestand ausgerechnet Urban noch darauf, dass sie beim Bau des Hauses so eng zusammenarbeiteten? Noch
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