Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
dazu, wo Miehlke gleich durchschaut hatte, wie es um sie beide stand?
Dora rieb sich die schmerzende Stelle an der Hand. Dabei verfing sich ihr Blick in den Flammen unter dem Topf. Sie musste die Glut in sich niederringen. Veit und sie besaßen keinerlei Zukunft. Urban war ihr Gemahl, seine Leidenschaft musste sie zum Lodern bringen. Je eher Veit wieder aus ihrem Leben verschwand, umso besser für ihrer beider Seelenfrieden. Warum quälte er sie nur immerzu mit seiner Nähe? Hieß aufrichtig lieben nicht, nur das Beste für den anderen zu wollen?
Wieder brodelte es im Topf kräftig. Rasch rührte sie weiter. Die Fischblase war nicht so ergiebig wie die letzte, doch sie schätzte sich glücklich, überhaupt noch eine ergattert zu haben. Ostern war vorüber, der Frühling nahm seinen Lauf. Langsam machte sich der von der Lohmännin angesprochene Fürkauf der Holländer bemerkbar. Auf dem Fischmarkt gab es immer weniger Stör, die Preise waren hoch wie nie zuvor. Dennoch blieb der Herzog untätig und nährte damit den Verdruss der Königsberger. Sogar einem Fremden wie Veit fiel das auf. Doras Herzschlag wurde schneller. Seine schöne Stimme klang ihr im Ohr, wie er den Missstand angeprangert hatte. Alles, was er sagte, schien ihr eine einzige versteckte Liebkosung. Halt!, schalt sie sich. Sie durfte sich nicht wieder der gefährlichen Schwärmerei hingeben.
Um sich abzulenken, rief sie sich die Größenverhältnisse der geplanten Wimperge an Urbans Haus in den Sinn, setzte sie in Vergleich zur Höhe der Stockwerke und der Dicke der Mauern. Ebenso überdachte sie die gesamten Ausmaße des Hauses hinsichtlich Höhe, Breite und Tiefe. Darüber wurde der Fischleim schließlich weich. Sie zog die Kette hoch, an der der Topf befestigt war, angelte mit der zweiten Hand nach einem Tuch, wickelte es um den Griff und trug den Topf zum Tisch. Der Weg war kurz. Die kleine Küche im zweiten Obergeschoss des Hauses maß kaum mehr als eineinhalb Klafter in der Breite. Ein Erwachsener füllte sie mit zur Seite ausgestreckten Armen fast aus. Schon schoss ihr wieder Veit in den Sinn. Tauchte er in der winzigen Küche auf, nähme ihr das die Luft. Ihr wurde heiß, die Wangen begannen zu glühen. Statt so wirres Zeug zu denken, sollte sie sich besser auf die Arbeit besinnen, sonst wurde der Leim kalt und unbrauchbar. Vom Gestell neben der Tür nahm sie einen zweiten Topf, strich ein grobes Leinentuch über der Öffnung glatt und befestigte es mit einer Schnur, die sie um den Topf band. Vorsichtig goss sie den noch heißen Leim aus dem ersten Topf darauf, verteilte die Masse gleichmäßig mit einem breiten Holzlöffel, sah zu, wie sie träge durch das Gewebe tropfte. Es dauerte sehr lang, bis der Leim gefiltert war. Um die Fischleimpause für ihre Zwecke zu nutzen, war es allerdings wichtig, einen möglichst klaren, feinen Leim aus der ausgekochten Fischblase zu gewinnen. Leicht angewidert betrachtete sie die schmierige Masse, die auf dem Leinen zurückblieb.
Plötzlich spürte sie etwas Weiches, Geschmeidiges an ihren Beinen. Die Katze! Wie aus dem Nichts tauchte das buntgestreifte Tier auf und strich mit aufgestelltem Schwanz zwischen ihren Füßen herum. Seit wenigen Tagen erst lebte die Katze bei ihnen im Haus. Mathilda missfiel sie. Das war für Dora Grund genug, auf ihrer Duldung zu bestehen. Woher sie kam und wieso sie sich ausgerechnet das Stöckelsche Anwesen als Heim ausgewählt hatte, blieb ein Rätsel. »Eine Feuerkatze im Haus bewahrt vor Brand und Unglück«, hatte Renata geraunt und das seltsame Tier sofort in ihr Herz geschlossen. Im Schein des Herdfeuers kamen die Rot- und Brauntöne ihres Rückens vor dem weißen Bauch und den ebenso weißen Pfoten besonders gut zur Geltung. Als sie den Kopf drehte, blitzte es in ihren bernsteinfarbenen Augen unternehmungslustig auf. Eine Hälfte des Katzengesichts war rot, die andere braun, die Nase wiederum weiß. Schweren Herzens widerstand Dora der Versuchung, sich zu bücken und sie zu liebkosen. Sie sollte nicht verweichlichen, sonst wurde sie zu träge für die Mäusejagd. Die Tür zu dem kleinen Vorraum, in dem Lienhart ein schlichtes Nachtlager auf dem Boden bereitet war, stand weit offen. Auf dem Weg zum Spitzgiebel, der das vierte Geschoss des Hauses bildete und wohin sich Renata seit Tagen verkrochen hatte, musste die edle Katze den verführerischen Fischgeruch in die Nase bekommen haben. Auffordernd miaute sie.
»Schon gut, ich habe verstanden!« Dora zog eine hölzerne
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