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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Königsberg wohl noch nie verlassen. Andernfalls wüsste er besser, wie man ein angemessenes Bürgerhaus für einen Mann von der Stellung Eures Gemahls baut.« Binnen weniger Atemzüge verwandelte sich sein Antlitz vollständig. Der eben noch so deutliche Spott machte einem schwärmerischen Ausdruck Platz. Die Augen blickten in unergründliche Fernen. Aufgeregt sprudelte er los: »Wie kann einer sich einen wahren Baumeister oder Steinmetz nennen, ohne je durch die Welt gereist zu sein? Zu Hause in der Stube zu hocken und alte Pläne oder Bücher zu wälzen, reicht einfach nicht. Jeden Tag aufs Neue heißt es für einen wahren Baumeister Eindrücke sammeln, das Auge für die Kleinigkeiten schulen, in natura Beispiele studieren, Altes und Neues miteinander vergleichen und dabei das Beste für die eigenen Pläne lernen.«
    »Ihr sprecht mir aus dem Herzen«, stimmte sie begeistert zu. »Was gäbe ich darum, ebenso zu Städten wie Marienburg, Krakau oder Nürnberg reisen zu dürfen so wie Ihr oder mein Bruder oder andere Kunstdiener.«
    »Das ist wahrlich ein großer Vorzug«, pflichtete er bei und ergriff ihre Hand. »Schon allein auf der Reise von Nürnberg hierher habe ich in Thorn, Marienburg, Elbing und natürlich in Danzig Bauten gesehen, die mir großartige Eindrücke für mein weiteres Arbeiten beschert haben.«
    »Erwähnt Danzig hier in Königsberg nicht mit derart leuchtenden Augen«, mahnte Dora. »Seit gut einhundert Jahren wetteifern die Bürger unserer drei Städte aufs erbittertste mit Danzig. Die Königsberger haben den Danzigern letztlich nie verziehen, sich nach dem Dreizehnjährigen Krieg aus freien Stücken der polnischen Krone unterstellt zu haben. Noch dazu, wo der polnische König Kasimir IV. Pommerellen das mit Sonderrechten gedankt hat, die die wirtschaftliche Vorrangstellung von Danzig mehr als gefestigt hat. Das werden die Königsberger nie aufholen, wenn auch Herzog Albrecht alles tut, das unter den Kreuzherren Versäumte mit der Unterstützung seines Oheims Zygmunt von Polen wieder aufzuholen.«
    »Mir scheint, Danzigs bauliche Pracht spiegelt diesen Vorsprung mehr als deutlich«, erwiderte Veit. »Mein Notizbuch hat kaum ausgereicht, all die reichhaltigen Eindrücke darin festzuhalten. Jedes Ornament, jeder Fassadenschmuck zeugt vom Selbstbewusstsein der Danziger Bürger und ihrer Überzeugung, etwas aus eigener Kraft erreicht zu haben. Ich muss Euch meine Aufzeichnungen einmal zeigen, dann könnt Ihr Euch selbst ein Bild davon machen.«
    »Oh, schwärmt mir nicht so viel von Danzig«, wiederholte Dora. Es schmerzte sie, nicht mit seinen Erfahrungen mithalten zu können. Er aber lächelte aufmunternd.
    »Danzig ist wundervoll, doch es gibt eine Stadt, die Danzig noch übertrifft, und das ist Krakau. Nicht allein der italienischen Gemahlin von Zygmunt, Königin Bona Sforza, ist es zu verdanken, dass seit einigen Jahren schon die besten welschen Künstler am polnischen Hof wirken. Der König selbst hat ein besonderes Interesse, sich als Förderer der Künste in all ihren Bereichen zu behaupten, worin ihn auch sein seit einigen Jahren mitregierender Sohn unterstützt. So entstehen derzeit in der Stadt Dutzende von Palästen sowie eindrucksvolle Bürgerhäuser, die denen in Italien ganz bewusst nacheifern. Zugleich verkörpern sie in jedem einzelnen Stein auch das Ringen mit der Besonderheit der nordischen Gefilde. Selbst Nürnberger Künstler haben überall in der Stadt ihre Spuren hinterlassen. Meine Heimatstadt steht seit gut zwei Menschenaltern in regem Austausch mit Krakau, wie Ihr vielleicht wisst. Um sein Studium der Baukunst zu verfeinern, sollte Meister Miehlke deshalb unbedingt auch bis an die Pegnitz reisen. Nicht von ungefähr schickt Euer Herzog Albrecht die hiesigen Kunstdiener dorthin. In Nürnberg würde Miehlke erst so richtig begreifen, was es heißt, in die Lehre der besten Baumeister zu gehen. Es reicht nicht allein, ihre Werkmeisterbücher zu lesen, man sollte stets auch mit eigenen Augen jeden gemauerten Stein, jede Fuge prüfen. Die große Kunst besteht letztlich darin, Hausfassade und Stellung des Hausbesitzers in das rechte Maß zueinander zu bringen. Das eine soll das andere bedingen, so dass selbst der flüchtigste Blick erfasst, mit wem man es als Bauherrn zu tun hat, wer als Besitzer hinter den Steinen steht und welchen Rang er in der Stadt einnimmt.«
    Mit jedem Satz steigerte er sich in größere Begeisterung hinein. Er begann vor dem Tisch geschäftig auf und ab

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