Die Liebe des Highlanders
lebendigen schottischen Himmel knüpften Gwen und Beatrice ein Band, fast wie zwischen Mutter und Tochter. Bei mehr als einer Gelegenheit machten sie sich Gedanken über Gwens Geschichte. Beatrice drängte Gwen, die Geschichte niederzuschreiben, einen Roman daraus zu machen und das Manuskript an einen Verleger zu schicken.
Gwen äußerte Bedenken. So einen Roman werden sie nie veröffentlichen. Die Geschichte ist zu verrückt.
Das stimmt nicht, widersprach Beatrice. Ich habe in diesem Sommer eine Vampirgeschichte gelesen und fand sie toll. Und ein Vampir, das ist noch verrückter! Die Welt braucht mehr Liebesgeschichten. Was, glaubst du, lese ich, wenn ich am Krankenbett sitze und nicht weiß, ob mein Bertie jemals wieder ein Wort mit mir sprechen kann ? Jedenfalls keine Horrorromane ...
Vielleicht schreibe ich die Geschichte eines Tages auf, räumte Gwen ein, hauptsächlich, um die Diskussion zu beenden.
Aber mittlerweile zog sie es ernsthaft in Erwägung. Wenn sie das »Und sie lebten glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage« in der Realität nicht haben konnte, dann könnte sie es wenigstens in ihrem Roman erfinden.
Trotz des anhaltenden Schmerzes weigerte sie sich, Beatrice allein zu lassen, bevor Berties Gesundheitszustand stabil war und Beatrice sich gefasst hatte. Tag für Tag wurde Bert kräftiger. Die ungeheure Liebe von Beatrice war für ihn das beste Heilmittel, davon war Gwen überzeugt.
Am Tag seiner Entlassung begleitete Gwen Beatrice in die Klinik. Bert konnte nicht richtig sprechen, weil seine linke Gesichtshälfte gelähmt war, aber der Arzt hatte gesagt, das würde sich mit der Zeit und der richtigen Therapie deutlich bessern. Beatrice sagte augenzwinkernd, ihr wäre es egal, ob er jemals wieder deutlich sprechen könne, solange seine anderen Körperteile funktionsfähig waren.
Bert lachte und schrieb auf seinen Notizblock, dass sie sich in diesem Punkt keine Sorgen zu machen brauchte; er würde das mit Freuden beweisen, sobald nicht mehr so viele Leute um ihn herumschwirrten und er mit seiner sexy Frau allein sein konnte.
Gwen lächelte und beobachtete mit einer Mischung aus Freude und Schmerz, wie Beatrice und Bert miteinander scherzten.
Sie musste versprechen, die beiden zu Weihnachten in Maine zu besuchen. Beatrice, die tatsächlich für ein paar Wochen ein hübsches Cottage am See gemietet hatte, half Gwen beim Packen und setzte sie für die Fahrt zum Flughafen in ein Taxi.
Bevor sich Gwen auf dem Rücksitz einrichtete, beugte sich Beatrice zu ihr und umarmte sie fest, küsste sie auf die Stirn, die Nase und die Wangen. Beide hatten feuchte Augen.
»Wag es ja nicht aufzugeben, Gwen Cassidy. Hör nicht auf zu lieben. Ich werde wohl nie erfahren, was dir an dem Tag in den Bergen passiert ist, aber ich weiß, dass irgendetwas dein Leben verändert hat. In den schottischen Bergen liegt Magie, aber vergiss eines nicht: Ein liebendes Herz hat seine eigene Magie.«
Gwen schauderte. »Ich liebe dich, Beatrice. Und du musst sehr gut auf deinen Bertie aufpassen, versprich mir das.«
»Das habe ich vor«, beteuerte Beatrice. »Und ich liebe dich auch.« Beatrice trat zurück, der Fahrer schloss die Tür.
Das Taxi fuhr los, und Gwen sah, wie die in Rosa gekleidete Beatrice immer kleiner wurde und schließlich ganz verschwand. Während der gesamten Fahrt zum Flughafen weinte Gwen.
26
20. Oktober der Gegenwart
Obwohl Gwen seit ihrem vierten Lebensjahr wusste, dass Gegenstände wegen ihrer chemischen Struktur, die gewisse Wellenlängen des Lichts absorbierte und andere reflektierte, Farben hatten, begriff sie erst jetzt, dass die Seele ebenfalls ein Licht besaß, das der Welt Farben verlieh.
Es war ein reines Licht, das Licht der Freude, des Staunens und der Hoffnung.
Ohne dieses Licht war die Welt dunkel. Gleichgültig, wie viele Lampen sie einschaltete, ihre Welt war grau und leer. Wenn sie schlief, träumte sie von ihrem Highland-Geliebten, und mit jedem Erwachen verlor sie ihn von neuem.
An den meisten Tagen schmerzte es allzu sehr, die Augen zu öffnen. Also blieb sie in ihrem winzigen Apartment im Bett, ließ die Vorhänge ges chlossen und das Telefon ausge schaltet. Dann durchlebte sie die gemeinsamen Momente unzählige Male und lachte und weinte abwechselnd. Ab und zu versuchte sie sich dazu zu überreden, aus dem Bett zu steigen. Aber abgesehen von kurzen Ausflügen ins Bad, um dem flauen Gefühl im Magen Linderung zu verschaffen, oder zur Tür, um den Pizza-Boten zu
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