Die Liebe des Highlanders
unmöglich. Wenn sie ihrem Sohn keine Neuigkeiten entlocken konnte, sollte sie vielleicht ins Dorf gehen, solange das Wetter hielt.
Nevin war alles, was ihr noch geblieben war, und niemand - nicht die MacKeltar, nicht die Kirche und auch nicht Gott - würde ihr den letzten Sohn nehmen.
»Brav, Pferdchen, brav«, gurrte Gwen.
Das Tier, mit dem sie sprach, zog die Lippen hoch und zeigte beängstigend große Zähne. Gwen zog hastig ihre Hand zurück. Das Pferd hatte die Ohren angelegt, schlug mit dem Schweif und beäugte sie hasserfüllt.
Vor zehn Minuten hatte der Stallknecht zwei Pferde aus dem Stall gebracht und an einen Pfosten in der Nähe der Tür gebunden. Drustan hatte das größere ohne einen Blick zurück weggeführt und sie mit dem anderen allein gelassen. Sie musste all ihren Mut zusammennehmen, um auf das Pferd zuzugehen, und jetzt stand sie neben der Stalltür und versuchte, sich bei der Bestie einzuschmeicheln.
Sie sah verärgert über die Schulter, doch Drustan unterhielt sich in einiger Entfernung mit dem Stallmeister. Wenigstens sah er nicht, wie sie sich zum Narren machte. Sie war ein Stadtkind - woher sollte sie wissen, was sie mit tausend Pfund Muskeln, Haaren und Zähnen anfangen sollte?
Sie versuchte es noch einmal, diesmal nur mit einem beruhigenden Murmeln. Doch das widerspenstige Tier hob unbekümmert den Schwanz, und ein warmer Strahl ergoss sich auf den Boden.
Gwen zog eilends den Fuß aus der Schusslinie. Und sie hatte sich eingebildet, der Tag könnte nur besser werden als der gestrige Abend.
Dabei hatte der Morgen viel versprechend begonnen. Ein halbes Dutzend Mägde hatten ihr ein dampfendes Bad hergerichtet, und sie weichte dankbar ihren Körper ein, der noch immer wund von ihrem ersten Liebeserlebnis war. Dann hatte ihr Nell Frühstück und Kaffee ins Zimmer gebracht. Beschwingt und optimistisch nach dem Koffeingenuss, hatte sie sich angekleidet und war losgezogen, um Drustan zu suchen. Sie wollte ihre Bemühungen fortsetzen, um ihn von der Gefahr, in der er schwebte, zu überzeugen. Doch als sie die Große Halle betrat, hatte ihr Drustan erklärt, dass sie ins Dorf reiten würden.
Gwen warf einen zweifelnden Blick auf das Tier. Sie war noch nie einem leibhaftigen Pferd begegnet. Und jetzt sollte sie ihren kleinen, schwachen Körper auf ein so monströs kraftvolles, hochnäsiges Geschöpf schwingen? Es erinnerte sie an Drustan, sowohl was die Statur als auch was das Verhalten anging. Das Tier mochte sie nicht, und sie traute ihm nicht.
Oh ja, es war ein schönes Pferd, und sie bewunderte die hübschen rehfarbenen Augen und die samtweiche Nase.
Aber es hatte auch mächtige Hufe, große Zähne und einen Schwanz, der - aua! - jedes Mal auf den Rumpf schlug, wenn Gwen näher herankam.
»Ganz ruhig, Pferd, gutes Pferd«, raunte sie und streckte vorsichtig noch einmal die Hand aus. Sie hielt den Atem an, als das Pferd leise wieherte und mit der Nase leicht gegen ihre Finger stieß. Im letzten Moment verließ sie der Mut, weil sie sich vorstellte, wie die großen Zähne ihre Finger abbeißen würden. Sie machte eine Faust, woraufhin sich das Pferd natürlich wegdre hte und erneut die Ohren anleg te.
Es schlug mit dem Schweif.
Drustan beobachtete erstaunt das Geschehen. »Hast du noch nie ein Pferd gesehen, Mädchen? Sie reagieren nicht darauf, wenn man sie >Pferd< nennt. Sie wissen nicht, dass sie Pferde sind. Man geht ja auch nicht in den Wald und sagt >Guter Keiler, braver Keiler. Ich würde dich gern rösten, damit ich ein Abendessen habe.<«
Sie warf ihm einen erschrockenen, verlegenen Blick über die Schulter zu. »Selbstverständlich habe ich schon einmal ein Pferd gesehen.« Doch in ihren Schläfen pochte es, und sie setzte kleinlaut hinzu: »In einem Buch. Und sei bloß nicht so eingebildet - du hättest dein Gesicht sehen sollen, als dir zum ersten Mal ein Auto unter die Augen gekommen ist.«
»Ein Auto?«
»In meiner Zeit gibt es ... Wagen, die nicht von Pferden gezogen werden müssen.«
Er schnaubte höhnisch und überging ihre Bemerkung. »Du hast also noch nie auf einem Pferd gesessen«, stellte er sachlich fest und schwang sich in den Sattel. Die Bewegung war lässig und elegant. Sie bewies absolutes Selbstvertrauen und männliche Kraft.
G w en wurde wütend. »Blöder Protz!«
Er grinste. »Ich habe dieses Wort zwar noch nie gehört, aber es ist offensichtlich kein Kompliment.«
»Es bedeutet, dass du ein eingebildeter, selbstgefälliger Kerl bist, der
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