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Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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mehr. Ihre tränenden Augen hatte sie fast ganz geschlossen, so dass sie die Landschaft nur durch einen schmalen Schlitz wahrnahm. Philip hatte zwar seine Decken über sie und Adalbert gelegt, doch lediglich Lola schien deren Wärme auszureichen. Adalbert rutschte noch enger an Xelia heran, so dass wenigstens ihre linke Seite warm gehalten wurde. Der Wagen selbst bot keinerlei Schutz und war außerdem recht sonderbar gebaut. Jedenfalls hatte Xelia so einen in Leinstetten noch nicht gesehen. Aus einem besonders hellen Holz, auf niedrigen Rädern, die ihr gerade einmal bis zum Knie gingen, hatte er dafür so hohe Seitenwände, dass Xelia im Sitzen gerade darüber hinwegschauen konnte. Es gab kein Dach, dafür lag in der hintersten Ecke ein dicker Stapel schweres Leinen, von dem Xelia vermutete, dass damit später die eingekauften Waren zugedeckt wurden. Neben den Leinentüchern stand noch eine blecherne Kiste, in die Philip sein Gepäck legen durfte. Außerdem hatte Xelia darin alles Mögliche an Lederriemen der feinsten Qualität entdeckt – wahrscheinlich Ersatzmaterial für den Fall, dass beim Zaumzeug etwas in die Brüche ging. Was seine Zugpferde anging, war Jaques das Teuerste scheinbar gerade gut genug, so weich und geschmeidig war ihr Zaum. Dementsprechend sahen die Tiere aus: Zwei Füchse liefen vorn, ein Rappe und ein Brauner kamen dahinter, alle vier waren äußerst kräftig bemuskelt, hatten runde Rücken und Hälse wie sonst nur Hengste.Und nirgendwo eine wund geriebene Stelle, wo hartes Leder die Haut abgeschabt hätte. Xelia spürte auf einmal einen Schmerz in ihrem Herzen, weil sie an den klapprigen Alois dachte. Warum nur hatten manche Geschöpfe mehr Glück im Leben als andere? Hätte Gott im Himmel die guten Dinge nicht gerechter verteilen können?
    Auch Philip schien die außergewöhnliche Qualität der Pferde bemerkt zu haben. Jedenfalls fragte er Jaques, wie er zu so edlen Rössern kam.
    Â»Die sind gar nicht so edel, wie sie scheinen!«, entgegnete dieser. »Eigentlich sind sie so gewöhnlich wie die meisten Pferde, die in Mietställen zu finden sind. Der einzige Unterschied liegt in der Pflege«, erklärte er weiter. »Mein Großvater erzählte uns früher immer, dass er einmal einen Gaul hatte, der ihm allmorgendlich folgendes Sprüchlein zuflüsterte …« Er schien sich die richtigen Worte in Erinnerung rufen zu müssen. › Bergauf schone mich, bergab leite mich, geradeaus trabe mich, und im Stall füttere mich!‹ Und daran halt’ ich mich. Gib noch gutes Zaumzeug dazu – und die Viecher danken’s dir.« Jaques schnalzte wieder und lenkte das Gespann scharf nach rechts.
    Â»Wohin willst du? Halt, um Gottes willen! Du fährst mitten durch einen Acker, siehst du das nicht?« Philip fuchtelte wild mit dem rechten Arm in Richtung des schneeverkrusteten Bodens, aus dem nur hier und da kleine grüne Triebe hervorlugten. »Womöglich ist da was eingepflanzt!«
    Ungerührt steuerte der Kaufmann seine Kutsche weiter. »Mewrzig! Halt an! Da vorn das Gehöft – wenn dich einer von denen sieht, musst du bitterlich hohe Strafen zahlen!«
    Xelia wurde unruhig. Arger mit der Obrigkeit, und sei es auch nur mit einem Landherrn – konnten sie nicht gebrauchen. Was um alles in der Welt trieb Jaques also?
    Der zuckte nur mit den Schultern. »Und wenn schon. Dann zahle ich eben. Dafür bin ich aber auch schneller als alle andern.« Er lachte über seine eigene Frechheit. »Aufein paar Heller hier und da kann ich keine Rücksicht nehmen. Sonst hätte ich gleich warten können, bis die Brücke wieder ganz ist, anstelle die Fähre zu nehmen, die viermal so teuer ist.« Sogleich begann er, wieder zu fluchen.
    Xelia und Adalbert schauten sich an. Es schien, als hätten sie noch viel zu lernen über die Art und Weise der Fuhrleute, oder besser gesagt, über Jaques Mewrzigs Art und Weise.
    Tatsächlich war das Fährgeld nur doppelt so teuer wie der Brückenzoll, was Jaques’ Laune ein wenig hob. Xelia beobachtete, wie die Pferde mit stoischer Gelassenheit auf die schwankenden Holzbalken marschierten, um dort wie angewurzelt stehen zu bleiben. Sie konnte verstehen, dass Jaques sich nicht von ihnen trennen wollte.
    Es war noch nicht einmal Mittag, als sie in der Poststation von Illertissen ankamen. Jaques zog aus

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