Die Liebe des Kartographen: Roman
es nicht ums Geld allein. Wenn unsere Familie jemals in Ungnade fällt, dann will ich die Schuld nicht bei mir suchen müssen.« Bei den letzten Sätzen war er lauter geworden. Danach ging ein fast unmerklicher Ruck durch ihn, als habe er sich dabei ertappt, mehr zu sagen, als gut für ihn war. Er nahm einen Schluck Bier. Einige der Männer brummelten zustimmend, andere murmeltenetwas davon, dass man seine Kreuzer auch anderweitig verdienen könnte, und der Mann mit dem roten Gesicht fing wieder mit seiner Wette an, in die sich nun auch andere einmischten.
Jaques indessen lehnte sich zurück und beobachtete das Tischgeschehen, als ginge ihn das alles nichts an.
Warum reist du ohne Geleitschutz?, hätte Xelia ihn am liebsten gefragt. Welche Pferde nimmst du für die Reise mit? Warum begleitet dich niemand aus deiner Familie bei dem Unternehmen, wenn es doch um so viel geht? Um ihrer Ungeduld ein wenig Luft zu machen, stieà sie Philip mit dem Ellbogen in die Seite. Warum tuschelten er und Adalbert miteinander, anstelle dem Kaufmann weitere Einzelheiten zu entlocken? So einen weit gereisten Mann traf man doch nicht alle Tage. Warum war Philip nur so wenig neugierig? Sie hätte platzen können vor Fragen! Umso weniger gefasst war sie auf Philips nächste Worte.
»Jaques Mewrzig aus Lüttich«, begann er fast feierlich, woraufhin sich erneut einige der Köpfe hoben. »Wir hätten dir einen Vorschlag zu machen.«
Nein, dass er sie mitnehme, sei unmöglich, antwortete Mewrzig bestimmt. »Warum, glaubt ihr, reise ich allein? Wenn es mir um Begleitung gegangen wäre, hätte ich die sehr wohl mitgenommen. Das Risiko, allein zu reisen, nehme ich nicht umsonst auf mich.«
Xelia hielt den Atem an. Darüber hatten die beiden getuschelt! Die Strecke nach Meran im Pferdewagen zurückzulegen â das wäre der Himmel auf Erden! Leider sah es jedoch nicht so aus, als würde der Kaufmann ihnen den Schlüssel zum Himmelstor reichen â¦
Philip und Adalbert machten betroffene Mienen, und die andern lauschten der neuen Entwicklung des Gesprächs mit groÃen Ohren. Würde sich das Gesagte in irgendeiner Weise auf ihre Wette auswirken?
»Nur wenn ich ganz allein fahre, habe ich überhaupt eineChance, mein Vorhaben in sechs Monaten zu bewältigen«, erklärte der Kaufmann nicht unfreundlich. Der Klang seiner Stimme, den Xelia zuvor so melodisch gefunden hatte, kratzte nun Wort für Wort in ihren Ohren. »Sobald andere dazukommen, ist man abhängig«, sagte Jaques gerade. Zustimmendes Murmeln der anderen Fuhrleute. »Es gibt genug Dinge auf einer so langen Fahrt, die ich nicht beeinflussen kann â da will ich wenigstens allein bestimmen können, wie viel ich von mir selbst verlange. Und das ist nicht wenig!«
Xelia hob die Augenbrauen. Nun hörte er sich aber sehr eingebildet an!
»Und dann auch noch mitten im Winter loszufahren!«, warf der Ãlteste der Männer dazwischen. »Von uns hat keiner vor, die Alpen im Winter zu überqueren, solange es genügend andere Aufträge gibt.«
Jaques schaute Philip schulterzuckend an. »Das kommt noch dazu, was das Wetter betrifft, muss ich mit dem Schlimmsten rechnen. Und da soll ich mir die Last von Mitreisenden aufladen, die alle paar Stunden nach einer Mahlzeit verlangen oder ihre Notdurft verrichten müssen?«
»Du kannst auch nicht schneller sein, als die besten Pferde es sind«, entgegnete ihm Philip mit der gleichen Arroganz in der Stimme â und Xelia hätte ihn dafür am liebsten geküsst.
»Stimmt. Aber es ist ja wohl unbestritten, dass die Pferde länger durchhalten, je weniger Last sie zu ziehen haben.«
Dagegen konnte Philip nichts einwenden. »Es würde sich ja nicht um die ganze Strecke handeln. Nur um das Stück bis zum Brenner. Und bezahlen würden wir selbstverständlich auch dafür.«
Doch der Kaufmann zuckte nur mit den Schultern, ihm war jedes weitere Wort zu diesem Thema zu viel.
Xelia wäre am liebsten aufgestanden. Ihre Enttäuschungwar zu groÃ, als dass sie einfach weiter dem Tischgespräch folgen und so tun konnte, als sei nichts gewesen.
Adalbert räusperte sich. Er sah gedankenverloren drein. »Es gibt aber etwas, das du über uns nicht weiÃt. Und das spricht stark dafür, dass du uns mitnimmst«, hub er erneut an.
Xelia spürte, wie ihr Herz ein gutes Stück nach
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