Die Liebe des Kartographen: Roman
Xelia unterhalten, sagte er: »Aus dem alten Römischen Reich ist überliefert, dass ein Brief an Cicero â er lebte im ersten Jahrhundert vor Christi â von England bis nach Rom nur siebenundzwanzig Tage brauchte! So eine erstaunliche Leistung wäre heute, über eintausendsechshundert Jahre später, nicht mehr möglich.«
»Das kommt davon, wenn die feinen Herren in ihren Schlössern lieber feiern und prassen, statt sich um ihr Land zu kümmern«, stimmte Adalbert ein.
»Ha, was das Feiern angeht, habt ihr mit eurem Herzog Ludwig ja den Vogel abgeschossen â¦Â« Jaques hörte sich sehr verächtlich an, gerade so, als spräche er über den schlimmsten Verbrecher und nicht über den Landesherrn. »Man sagt, es gäbe keinen Tag mehr, an dem der Gute nüchtern anzutreffen sei. Wen wundert es da noch, wenn euer Land zerfällt wie ein riesengroÃer Ameisenhaufen?« Er schüttelte mit dem Kopf.
»So schlimm ist es nun auch nicht, wer redet so dummes Zeug?«, wollte Philip wissen. Dass Herzog Ludwigs Eskapaden sogar im Ausland bekannt waren, verwunderte ihn eigentlich nicht. Aber was ging das den Kaufmann an? Er fühlte sich verpflichtet zu sagen: »Herzog Ludwig war immerhin nüchtern genug, um mir den bedeutenden Auftrag zu erteilen, sämtliche Forste im Land zu vermessen. Und auch sonst tut er seinen Teil für unser Wohlergehen.«Für Xelias Ohren hörten sich seine Worte sehr halbherzig an. Das schien auch der Kaufmann zu finden.
»Aber ein Christoph wird er nie werden!«, meinte er in Anspielung auf Herzog Ludwigs Vorgänger.
»Das stimmt wohl!«, gab Philip zu. Er hatte noch zu gut die Lobesreden seines Vaters auf Herzog Christoph im Ohr. Das war ein Schaffer! , sagte der immer. Der baute auf. Von früh bis spät sah er nach dem Rechten, MüÃiggang kannte er nicht! So hieà es in manchen Stuttgarter Amtsstuben immer noch. Philip konnte das alles nicht mehr hören â was nutzte es, immer nur dem Vergangenen nachzutrauern? Lag es nicht an jedem Landesdiener selbst, sein Bestes für Württemberg zu geben? Er hatte es jedenfalls vor. Aber was tat er dann hier auf diesem Wagen, der in Richtung Tirol fuhr, fragte er sich plötzlich mit schlechtem Gewissen. Um nicht weiter über seine Verirrungen nachdenken zu müssen, wandte er sich an Adalbert. »Sag, wie kommst du eigentlich mit deiner Abhandlung über die Kartographie voran? Hast du darin meine Arbeit wenigstens mit ein paar Sätzen gewürdigt?«
Adalbert lachte. »Du hättest ein ganzes Kapitel bekommen, lieber Philip! Aber leider ist es bei meinem Wunschgedanken geblieben. Du weiÃt doch, meine Arbeit lieà mir keine Möglichkeiten mehr, mich anderweitig zu entfalten â¦Â«
»Das ist aber sehr schade«, kam es sehr enttäuscht von Philip. Doch bevor er noch mehr dazu sagen konnte, verwickelte Jaques ihn in ein Gespräch über seine Arbeit als Landvermesser.
Gelangweilt hatte Xelia dem Wortwechsel der Männer zugehört. Wen interessierte es schon, welcher Herzog über ihnen thronte? Die waren doch alle gleich, und am liebsten hätte sie das laut zu Philip gesagt. Nun hielt sie es einfach nicht mehr aus.
»Bedauerst du nicht, dass im Blaubeurener Spital alles ganz anders verlaufen ist, als du dir das ausgemalt hast?«,fragte sie Adalbert leise. Sie linste nach vorn zum Kutschbock, doch keiner der beiden anderen schien sie gehört zu haben. Sie waren zu sehr in ihr eigenes Gespräch verstrickt.
Adalbert schaute sie an und seufzte. »Es kommt meist anders, als man es sich ausgedacht hat. Das hast doch selbst du in deinen jungen Jahren schon erfahren müssen, oder? Und es ist ja nicht gesagt, dass ich mein Buch über die Landvermessung gar nicht mehr schreibe. Vielleicht finde ich in Meran die nötige Zeit und Ruhe dazu.«
Sie nickte. Adalbert hörte sich so vernünftig an. Und so ⦠sehnsüchtig!
Er zuckte mit den Schultern. »Ich versuche immer, aus allem das Beste zu machen, das erscheint mir sinnvoller.«
Obwohl er merklich bemüht war, zuversichtlich zu klingen, glaubte Xelia, einen traurigen Unterton aus seiner Stimme herauszuhören. Auf einmal hatte sie ein schlechtes Gewissen, in seinen Vorschlag, gemeinsam im Haus seines Bruders Zuflucht zu suchen, eingewilligt zu haben. »Und gehört dazu auch, dass du meinetwegen darauf verzichtest,
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