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Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Oder war das doch zu anmaßend? Er würde beide Namen eine Weile mit sich herumtragen, beschloss er. Vielleicht würde sich einer schließlich wie eine zweite Haut von selbst um ihn legen.

~ 6 ~
    E lende Sauerei! Verflucht noch mal!« Zornig blickte Xaver Feltlin an sich hinab. Aus den aufgesprungenen Fingerkuppen seiner rechten Hand quoll hellrotes Blut direkt auf das vor ihm auf den Bock gespannte Lederstück. »Was glotzt ihr so blöd? Wo ist ein Lappen? Schnell!«
    Anna wühlte im Eckschrank nach einem Stück Lumpen, während Xelia versuchte, mit Wasser und einer Bürste die Blutstropfen aus dem Lederstück zu reiben, bevor sie tiefer in die Fasern eindringen konnten. Zu spät. Beim Anblick der roten Flecken wurde ihr ganz schlecht. Ausgerechnet in die Mitte eines makellosen Leders war Feltlins Blut getropft. Sie spürte seine Wut wie eine rot glühende Axt durch den Raum schwingen. Es dauerte neun Monate, bis durch das Drehen und Wenden in der Eichenrindenlösung, durch Schaben, Waschen und Aufspannen aus einer zotteligen Tierhaut schließlich weiches Leder wurde. Wenn sie die Flecken nicht rausbekämen, konnten sie das Leder nicht verkaufen, und dann wäre die ganze Arbeit umsonst gewesen. Doch sosehr sie auch rieb, die roten Sprenkel wurden zwar schwächer, aber ganz verschwanden sie nicht. Sie warf einen Blick zu Feltlin hinüber, dessen Hand gerade von Anna mit einem Tuch verbunden wurde.
    Â»Streng dich an, Herrgott noch mal! Ich schaff’ mir die Hände wund für euch, da wirst du es doch fertigkriegen, ein paar Flecken rauszuwaschen.« Und zu Anna gewandt: »Los, hilf deiner Schwester!« Mit dem Fuß stieß er sie in den Rücken. Dann entkorkte er die Flasche Branntwein, die auf dem Tisch stand, schenkte sich einen großzügigen Becher davon ein und setzte sich ans Fenster, keinen Blick von Anna und Xelia lassend. Sybille, die ebenfalls vor einem aufgespannten Fell saß, machte sich ganz klein. Wenner im Raum war, schien die Hütte noch beengter zu sein als sonst.
    Am liebsten war ihnen die Zeit, wenn Feltlin das fertig gegerbte Leder auflud, um es nach Ulm zum Verkauf zu bringen. Meist blieb er dann einige Tage in der Stadt, um seine Verkäufe bei Bier und Wein zu feiern, was ihnen nur recht war. Für ein paar Tage war danach seine Laune erträglich, und auch Xelia ließ er dann in Ruhe, von seinen Beschimpfungen einmal abgesehen. Doch kaum war eine Woche vergangen, war der Segen wieder vorbei.
    Eine Zeit lang war nur das Schrubben der Bürste zu hören. Dann atmete Xelia tief durch. »Ich muss an den Bach, Seifenkraut holen, sonst krieg’ ich das Blut nicht raus.« Sie spürte seinen misstrauischen Blick und setzte sofort nach: »Dann kann ich auch vom Spitzwegerich mitbringen. Du weißt doch, eine Paste davon heilt deine Wunden besser als alles andere.« Sie hielt den Atem an. Würde er sie gehen lassen?
    Xelia wartete schon lange darauf, dass er ihr die Heilkunde ganz verbot. Bisher hatte er sie zähneknirschend gewähren lassen, aber nur, solange sie ihr Tagwerk in der Gerberei ordentlich verrichtete! Und wahrscheinlich auch nur deshalb, weil ihre Salben und Tinkturen auch seinen Blessuren zugutekamen. Wie sie weiterleben sollte, wenn er ihr die Heilkunde eines Tages wirklich verbot, wollte sie sich nicht vorstellen. Dann käme sie aus der Gerberei gar nicht mehr hinaus, würde mit den Dörflern gar nichts mehr zu tun haben, und ihr Verstand würde verdorren wie eine Trockenpflaume.
    Â»Geh und hol das Zeug! Aber beeil dich, die Arbeit schafft sich nicht von allein! Und glaub nicht, dass wir für heute schon fertig sind.« Er blickte mürrisch nach draußen. Dank des diesigen Nebels, der wie eine nasse Decke über der Alb hing, schien es schon später Abend zu sein, in Wirklichkeit war es erst Nachmittag.
    Annas und Sybilles sehnsüchtige Blicke ignorierend,suchte Xelia Korb und Schneidemesser zusammen. Erst als sie draußen war, gestattete sie sich, die angehaltene Luft hinauszulassen. Dem Himmel sei Dank! Den ganzen Tag über hatte sie hin und her überlegt, wie sie es wohl anstellen konnte, aus dem Haus zu kommen. Und jetzt war ihr die beste aller Ausreden direkt in den Schoß gefallen!
    Natürlich hatte Xelia eingewilligt, eine Salbe für Sarah Blaustein zuzubereiten. Samuels Mutter hatte durch ihr langes Liegen wunde Stellen an den Beinen und am

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