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Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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größtem Interesse wäre!
    Â»Von wann bis wann im Jahr ist der Sumpf denn einigermaßen trocken und begehbar? Oder ist gar kein Durchkommen möglich?«
    Bereitwillig teilte der Wirt nun sein Wissen mit Philip. Ihm war auch noch etwas anderes an der Karte aufgefallen. Ein Stück Land, welches Philip dem Zwiefaltener Forst zugeschrieben hatte, gehörte tatsächlich noch zur Herrschaft Hohenberg. Der entsprechende Grenzstein musste wohl wieder einmal – von wem auch immer – ausgegraben worden sein. Mit seinem kräftigen Zeigefinger wies der Wirt genau auf den Punkt, an dem er eigentlich hättestehen sollen. Und die kleine Kapelle, die sich in einem so erbarmungswürdigen Zustand befand, gehörte …
    Bald waren die beiden Männer in eine so angeregte Unterhaltung vertieft, dass keiner von ihnen merkte, wie sich die Gaststube langsam zu leeren begann. Die Schankmädchen räumten zügig die Stube auf, stellten die Steinkrüge wieder auf die Wandregale und schoben die Tischplatten an die Wand. Keines stolperte auch nur einmal über die eigenen Füße oder ließ einen Krug fallen, wie es sonst vor lauter Aufregung öfter geschah. Der Wirt war ein strenger Herr, der nach ein paar Krügen seines eigenen Bieres nicht unbedingt gerechter wurde und jedes Versehen mit einer schallenden Ohrfeige bestrafte. Er konnte sich zwar damit rühmen, dass in seinem Haus noch kein Gast je von einem Bediensteten bestohlen oder übers Ohr gehauen worden war. Auch überwachte er das Ausschenken des Bieres höchstpersönlich, weshalb die Gäste gern und zahlreich in den Grünen Baum kamen. Sehr beliebt war er deshalb bei seinen Leuten trotzdem nicht.
    Philip hingegen fand den Mann inzwischen gar nicht mehr so unangenehm. Als draußen die letzten Lampen gelöscht wurden und außer ihnen kein Mensch mehr in der Schankstube war, stellte er überrascht fest, dass er sich keinen Augenblick gelangweilt hatte. Er musste sogar zugeben, dass er die Sache mit dem Grenzstein allein nicht festgestellt hätte – wie auch?
    Als der Wirt die Lichter löschen und sich auf den Weg in seine eigene Kammer machen wollte, bat Philip ihn darum, eine Lampe brennen zu lassen, damit er noch einige Zeit weiterarbeiten konnte. Hatte er sich zu Beginn des Abends wie ein Analphabet gefühlt, flog Philips Feder nun im Lichtkegel der kleinen Flamme geradezu über das weiche Papier des Tagebuches. Er hatte sich entschlossen, sein Vorhaben, mehr in die Karte aufzunehmen als lediglich die vom Herzog gewünschten Forstgebiete, gleich zu Beginn der Aufzeichnungen kundzutun. So würde mangleich erkennen können, welche Weitsicht, welche Visionen er, Philip Vogel, von Anfang an gehabt hatte!
    Er schaute auf in die schummrige Schattenwelt der Wirtsstube. Das kleine Stäubchen Angst, das sich auf seine Schulter zu setzen drohte, fegte er mit einer unwirschen Bewegung beiseite. Nichts würde ihn aufhalten können. Er hatte das Wissen, das Werkzeug und das herzögliche Wohlwollen für sein Unternehmen. Mit diesem beruhigenden Gedanken legte er sich schließlich für die Nacht nieder. Der Dielenboden war hart und roch sauer nach jahrelang verschüttetem Bier. Philip zog die Decke über seine Nase. Bald spürte er, wie sein einziger, sein ewig gleicher Traum ihn überspülte. Er würde ein Kartenwerk schaffen, wie es für Württemberg einmalig wäre. Kein Winkel, kein Weg sollten darin übersehen werden, Schönheit und Detailtreue würden darin erblühen, der Betrachter eine Vollkommenheit spüren, wie sie nur der Anblick wahrhaftiger Kunst hervorrufen kann.
    Eigentlich fehlte ihm nur noch ein geeigneter Name. Lateinisch musste er sein, so viel war sicher. Jeder Kartograph, der etwas auf sich hielt – und andere Gelehrte dazu –, gab sich einen lateinischen Namen. So hieß zum Beispiel Philipp Apianus, der große bayrische Kartograph, in Wirklichkeit Bienewitz. Doch die Lateinisierung »apis« – von »die Biene« – hörte sich wirklich besser an, das musste jeder zugeben. Auch der von Philip sehr verehrte Martin Waldseemüller hatte sich seinerzeit Hylacomylus genannt und war seiner Nachwelt auch mit diesem Namen in Erinnerung geblieben. Philip schwankte noch zwischen Philipus Avis als Anspielung auf seinen Nachnamen und Philipus Geometres, was einfach hieß: Philip, der Landvermesser.

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