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Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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über irgendwelche Missgeschicke ihrerseits, die Feltlin zu Recht mit einer Ohrfeige bestraft hätte, woraufhin sie gegen den Tisch gefallen wäre …
    Â»Xelia! Was soll das?« Samuels große Augen starrten sie an. Er nahm ihren Kopf zwischen seine Hände, als handle es sich um ein rohes Ei. »Warum nimmst du den Gerber in Schutz?« Unwillkürlich hatte er ihre Redeweise übernommen und nannte Feltlin ebenfalls nur »den Gerber«. »Und selbst wenn du den größten Fehler der Welt begangen hättest, wäre das kein Grund, dich grün und blau zuschlagen.« Er war so wütend und so hilflos, dass es Xelias Herz rührte. Ohne weiter auf seine Worte einzugehen, lenkte sie ihr Gespräch in unverfänglichere Bahnen. Doch als sie sich nach einer guten Weile wieder verabschiedeten, musste sie feststellen, dass sein nachdenklicher Blick sie nicht mehr so unbeschwert anstrahlte wie zuvor.
    Â»Warum holt dein Vater eigentlich keinen richtigen Arzt für deine Mutter?«, wollte sie beim nächsten Mal wissen und war von der Heftigkeit in Samuels Antwort überrascht.
    Â»Für ihn ist meine Mutter schon so gut wie tot! Zweimal im Jahr kommt ein Arzt aus Ulm zu ihr, untersucht sie und lässt ein paar Pillen da, die Mutter jedoch weder von den Schmerzen noch vom Wundsein befreien. Aber ihn kümmert das nicht. Sie ist ihm schließlich zu nichts mehr nütze, also tut er so, als wär’ sie nicht mehr da.« Seine Stimme erstickte fast an seinem Kummer. »Vater darf nie erfahren, dass ich zu dir komme, um Medizin für Mutter mischen zu lassen! Erstens ist für ihn jede Heilerin eine Hexe, die Hokuspokus betreibt, und zweitens hält er Mutter sowieso für wehleidig.« Samuels Mund wurde schmal. »Er hört ihr tägliches Weinen schließlich nicht.«
    Â»Nach dem, was du erzählst, will er es nicht hören«, antwortete Xelia trocken. Was für ein Ekel! Aaron Blaustein konnte sich ja fast mit Feltlin die Hand reichen!
    Samuel schien es gutzutun, mit jemandem darüber reden zu können. Er fuhr fort: »Vater hasst kranke Menschen, und das weiß sie. Aber kaum ist er aus dem Haus, fängt das Gejammere an. Meine Ohren können gar nicht groß genug sein, so viel, wie sie sich anhören müssen!« Dies sollte ein Scherz sein, doch weder ihm noch Xelia gelang ein Lächeln.
    Er ergriff ihre Hände. »Aber du! Erzähl von dir. Ich weiß doch gar nichts, außer, dass du die Tochter des Gerbers bist.« Seine Augen hatten wieder beinahe ehrfürchtig gestrahlt, wie so oft, wenn er Xelia anschaute.
    Â»Ãœber mich gibt es nichts zu erzählen.« Xelia hatte ihre Hände zurückgezogen und hinter ihrem Rücken versteckt. Nachdem sie am Tag zuvor frische Gerbsäure angesetzt hatten, waren ihre Hände gelb verfärbt und runzelig – nicht gerade eine Augenweide. Nie würde sie auch nur einen Ton über ihr Zuhause verlieren. Niemals! Das hatte sie sich schon bei ihrem ersten Treffen geschworen. Lieber wollte sie die rätselhafte Heilerin bleiben, die Samuel wohl in ihr sehen musste.
    Nie gab es bei ihren Zusammenkünften – Woche für Woche, das ganze Frühjahr über – viel, das sie miteinander zu bereden hatten. Meistens erzählte Samuel von seinen Begegnungen mit Leuten aus dem Dorf, die für seinen Vater Flachs anbauten oder Leinen webten. Die meisten Familien kannte Xelia nur vom Sehen oder von gemeinsamen Fronarbeiten beim Markgrafen. Wenn Samuel sich wunderte, warum Xelia so wenig mit den anderen aus dem Dorf zu tun hatte, so fragte er nicht nach. Und ihr fiel nichts ein, womit sie die besondere Situation ihrer Familie hätte erklären können. So wie ihr überhaupt wenig zu erzählen einfiel. Was hätte sie auch sagen sollen? Manchmal kam sie sich dumm vor, viel zu schweigsam. Dann plapperte sie irgendetwas daher, um sich im nächsten Moment heimlich eine blöde Gans zu schimpfen.
    Trotzdem zog es sie immer wieder zueinander hin, und Xelia begann zu träumen. Von einem Leben, in dem sie täglich mit Samuel zusammen sein konnte, mit ihm lachen und über die Leute im Dorf reden konnte. Von einem Leben ohne den Gerber und seine stinkenden Bottiche. Von Nächten, in denen sie schlafen konnte, statt starr vor Angst und mit angehaltenem Atem auf das Unentrinnbare zu warten. Und schließlich überlegte sie krampfhaft, was sie tun

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