Die Liebe des Kartographen: Roman
vertraut an. »Statt den lieben Gott zu bemühen, solltest du besser deinen Verstand anstrengen!«, befahl sie sich selbst.
Sie spürte eine kleine Bewegung von Adalbert. Bemüht, keine kalte Luft an seinen frierenden Körper zu lassen, krabbelte sie unter der Decke hervor. Nachdem sie sichergestellt hatte, dass sein Leib ganz eingehüllt war, nahm sie den Hund und legte ihn auf Adalberts Bauch. So konnten sie sich gegenseitig wärmen. Dann krabbelte sie an der halbrunden Wand entlang, bis sie zu dem Loch kam, das ihren Unterschlupf mit der weiÃen Endlosigkeit verband. Noch immer kein Philip, weit und breit. Vielleicht war er schon tot, im Himmel, bei ihrer Mutter. Eine seltsame Vorstellung. Sie fühlte sich so allein!
»Mutter, ich brauche deinen Rat«, jammerte sie. »Wie würde die Heilerin Eulalia Adalbert helfen?«
»Lali?«, hörte sie eine Stimme hinter ihrem Rücken flüstern.
»Lali?«, kam es nochmals, fragender, forschender.
Xelia drehte sich erschrocken um. Adalbert hatte seinen Kopf ein wenig erhoben. Seine Augen waren offen, glanzlos, aber es war Leben darin. »Wo ⦠wer �«
»Psst. Nicht sprechen, das kostet zu viel Kraft.« Xelia hielt ihm einen Finger auf den Mund und spürte dabei, wie sich seine Lippen dennoch bewegten. Ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht. Selbst in diesem Zustand war Adalbert noch wissbegierig. Sie hatte keine Ahnung, was in seinem Kopf vorging, aber sie war so froh, dass er wach war. Nun musste sie ihn unter allen Umständen wach halten! »Eulalia hieà meine Mutter«, erklärte sie und strich ihm dabei über die Stirn. »Sie war auch Heilerin und eine sehr weise Frau. Wann immer ich nicht weiterweià im Leben, frage ich mich, was sie an meiner Stelle wohl tun würde. Aber â¦Â«Â â Xelia winkte ab â »du sollst dir keine Sorgen machen. Bald wird Philip mit Hilfe hier sein, und dann wird alles gut.« Sehr tröstlich hörte sie sich nicht an,nachdem sie gerade eben ihre eigene Hilflosigkeit zugegeben hatte.
»Ich ⦠kannte ⦠auch einmal ⦠eine Frau, die ⦠Eulalia hieë, kam es stockend.
Xelia wusste nicht, was sie von Adalberts Worten halten sollte. Spielte sein Verstand ihm einen Streich, oder sollte das wirklich zutreffen? Eulalia war ein sehr seltener Name. Ihre Mutter hatte ihr einmal erzählt, dass er in Württemberg eigentlich nicht gebräuchlich war.
»Lali wurde sie genannt«, flüsterte Adalbert, und seine Stimme verriet, dass er ziemlich aufgeregt war.
»Das ist ja ein Zufall! Erzähl mir von dieser Lali!«, forderte Xelia ihn auf. Reden, schimpfen, weinen â nur nicht einschlafen!
»WeiÃt du noch, dass ich einmal ⦠gesagt habe, du würdest mich an jemanden erinnern? Es war ⦠gleich zu Beginn, als du mich aus dem Spital befreit hast, ich glaube, in ⦠der ersten Nacht in der Scheune. Ich ⦠schaute dich an â und sah plötzlich Lali vor mir stehen!« Seine Worte kamen stockend.
Xelia nickte. Und ob sie sich an den Moment erinnerte! Vor allem an Philips Feindseligkeiten. War er damals auf den Alteren eifersüchtig gewesen? Sie schüttelte den Kopf. Diese Vorstellung war zu absurd.
»Du lachst sogar wie sie.« Adalbert hörte sich verwundert an.
Auf einmal huschte ein silberner Streif über Xelias Seele. Mit felsenfester Bestimmtheit wusste sie auf einmal Bescheid. Adalbert sprach von Eulalia, ihrer Mutter! Sie konnte sonst nichts weiter denken, aber das war auch nicht notwendig. Doch Wärme durchflutete sie wie heiÃer Tee, der die Kehle hinabrinnt.
Auch Adalbert schien diese Wärme zu spüren. Er setzte sich aufrecht hin, seine Wangen waren nicht mehr leichenblass, sondern von einem leichten Rosa überzogen. »Sie hatte auch einen Hund. Und sie hatte mindestens ein genauso groÃes Herz wie du. Ich habe sie sehr geliebt, sie war mein Ein und Alles. Lali â¦Â« Seine Augen verdunkelten sich wie eine sternenlose Sommernacht.
Die seltsamen Worte machten Xelia Angst. Noch nie hatte sie jemanden sagen hören, ein anderer Mensch sei sein Ein und Alles . Aber es hörte sich schön an. Genauso schön wie das Lali , das auf einmal vieles wieder gutmachte: den manchmal weltentrückten Ausdruck auf Eulalias Gesicht, als würde sie sich fragen: Was mache ich hier eigentlich? Ihre
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