Die Liebe des Kartographen: Roman
wie der Untergrund aussieht. Ein unvorsichtiger Schritt könnte genügen und â¦Â«
»Wie weit, glaubst du, ist es noch bis zu dem Pass?« Xelia schauerte es. Die Vorstellung, von einer Ladung Schnee begraben zu werden, hatte ihr schon Angst gemacht, und Philips Verhalten war auch nicht gerade vertrauensfördernd.
Er drehte sich zu ihr um. Ihr Gesicht schimmerte bläulich, und ihre Lippen waren weiÃ. Obwohl sie sich mit keinem Ton beklagte, sah er, dass sie am Rande der Erschöpfung war. Trotzdem hielt sie den Hund fest an ihre Brust gedrückt. Das war so bezeichnend für Xelia! Die Versuchung, sie in die Arme zu schlieÃen und hier und jetzt ein Lager aufzubauen, war groÃ, dennoch erlag er ihr nicht. Er musste zumindest eine wind- und wettergeschützte Stelle finden, sonst würden sie die Nacht vielleicht nicht überleben. Dem Himmel sei Dank, dass dies die einzige Nacht unter freiem Himmel sein würde!
Als wäre ein Zauberer ihnen wohlgesonnen, tauchten eine halbe Meile vor ihnen plötzlich drei Tannen auf. Ihr kräftiges Grün war die einzige Farbe in der Landschaft und wirkte fremd und tröstlich zugleich.
Ungläubig schauten sie sich an. Ihre Schritte wurden wieder schneller, ihre Blicke krallten sich an den Bäumen fest, als ob sie im nächsten Augenblick wieder verschwunden sein konnten. Doch nichts dergleichen geschah, und beim Näherkommen entdeckten sie das weiche Bett aus Moos inmitten der Tannen, deren dichtes Nadelkleid den Winter bisher tapfer abgehalten hatte.
Philip fiel ein Stein vom Herzen. Hier würden sie ein sicheres und geschütztes Lager für die Nacht einrichten können.
~ 53 ~
A m nächsten Morgen waren sie noch keine Meile weit gegangen, als das Unglück geschah.
Die Nacht war eisig, und die Tannen boten keinen groÃen Schutz. Ihr restliches Brot und den Speck hatten sie noch im Licht ihrer Ãllampe verzehrt, so dass sie unverzüglich aufbrechen konnten, als es endlich hell wurde. Alles tat ihnen weh, und sie waren sehr müde.
Wie am Vortag war Philip vorangegangen, vorsichtig den Weg mit seinem langen Stock prüfend. Ohne dass er etwas sagen musste, hatten sich Xelia und Adalbert knapp hinter ihm gehalten und seine Spur für ihre eigenen Schritte benutzt. Eigentlich hätte nichts passieren dürfen, aber â¦
»Was für eine angenehme Ãberraschung!«, hatte Philip ausgerufen. Sie waren gerade um eine kleinere Erhebung gegangen, als er plötzlich vor einem hölzernen Schild stand. »Jaufenpass, 2 Meilen«, hatte darauf gestanden, und ein Pfeil hatte nach geradeaus gewiesen. Nun hatten sie Gewissheit, dass sie auf dem richtigen Weg waren!
Beschwingt waren sie vorangeschritten und hatten Pläne darüber geschmiedet, was sie nach ihrer Ankunft in Sankt Leonard machen wollten. Philip und Xelia hatten sich nur angeschaut und beide den gleichen Gedanken gehabt. Ihre Sehnsucht nach dem anderen war inzwischen übermächtig.
Adalbert hatte damit geliebäugelt, eine Nachricht an Michael schicken zu lassen, um diesen auf ihre Ankunft vorzubereiten. Vielleicht würde sein Bruder ihnen einen Wagen entgegenschicken, hatte er mit einem listigen Blick gemeint. Xelia und Philip hatten begeistert genickt.
Es war nur ein kleiner, ein einziger unachtsamer Schritt Adalberts, in einem Augenblick, in dem keiner von ihnen damit gerechnet hatte. Wer oder was sollte ihnen jetzt noch etwas anhaben? Ein kleines Freudentänzchen andeutend, hatte Adalbert einen Schritt zur Seite gemacht und dabei ein Schneebrett freigetreten. Als es geschah, bemerkten die beiden anderen es gar nicht sofort. Und als Xelia sich umdrehte und Adalbert nicht mehr sah, glaubte sie den Bruchteil eines Wimpernschlages lang, der ewige Anblick des Schnees hätte ihrem Augenlicht geschadet. Doch sofort darauf erhob sich aus der Tiefe Adalberts Fluchen.
Zu Tode erschrocken registrierte Philip dennoch, dass Adalbert am Leben war. Er warf sein Gepäck zur Seite und rannte die paar Schritte zurück zu der Stelle, wo Adalbert hinuntergestürzt war. »Bleib weg da!«, wies er Xelia an und lag schon auf dem Boden, sich langsam an die Kante heranrobbend.
Adalbert war ungefähr zwei Ellen tief gefallen. Die Kante, wo der Schnee unter seiner Last nachgegeben hatte, war messerscharf abgeschnitten.
»Worauf wartest du, willst du mich hier unten verrotten lassen?« Mit verzerrtem Gesicht hatte Adalbert sich
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