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Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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platzte Adalbert unvermittelt heraus. »Und wenn’s nicht mit dem Teufel zugeht, dann muss eine deiner Schwestern das Kind sein, das sie von mir bekommen hat!«
    Schweigen.
    Die Luft in der Kammer war aufgeladen wie vor einem Gewitter. Xelia lachte. »Du bist verrückt! Meine Schwestern sind doch beide jünger als ich, die …«
    Noch während sie sprach, hob sich der Nebel, der die Wahrheit so lange verhüllt hatte.
    Â»Nein!«, schrie sie laut auf.
    Adalbert griff nach ihren Händen, doch sie entzog sich ihm. »Du?«, fragte er tonlos. Er, dessen Verstand sonst immer schneller arbeitete als der anderer Menschen, war auf einmal so begriffsstutzig wie ein tumber Tor. »Dann bist du …« Seine Augen flatterten, fanden kein Ziel mehr, das sie anpeilen konnten, um ein Gleichgewicht in seinen Blick zu bringen. »Heiliger Vater im Himmel!«
    Xelia hörte ihn gar nicht. Sie starrte in die Leere. Nichts mehr auf der Welt konnte die Wahrheit auslöschen, die sich aus tausend kleinen Steinen zu einem Mosaik zusammenfügte: Sie war nicht Feltlins Tochter! War das der Grund für die Gewalt, die er ihr angetan hatte? Nur ihr, dem Bastard, aber nicht den beiden anderen Schwestern. Und dass sie sich ewig fremd gefühlt hatte in Feltlins kleiner grausamer Welt – hatte sie damals schon etwas geahnt? Und die seltsamen Blicke, mit denen Eulalia sie musterte, wennsie glaubte, Xelia würde es nicht bemerken. In ihnen hatte wohl die unausgesprochene Frage gelegen, ob sie sich richtig entschieden hatte, damals, vor den Toren Tübingens. Auf einmal verstand Xelia so vieles, was ein Leben lang so schwer auf ihrer Seele gedrückt hatte. »Ach Mutter! Warum hast du es mir nie erzählt?« Ihre Stimme erstickte wie eine Flamme, über die ein Tuch geworfen wurde. Einen Augenblick lang hatte Xelia ihr Gegenüber vergessen, dann schaute sie auf. Ihr Gesicht war tränenüberströmt, ihre Lippen bebten. Sie schluchzte – und dann endlich war Platz für ein unendlich glückseliges Lächeln.
    Sie war Adalberts Tochter.
    Sie saß ihrem Vater gegenüber.

~ 56 ~
    W ie ein bunter Schmetterling wirbelte Xelia durch den Garten von Michaels Haus. Sie kam kaum einen Schritt weit, ohne dass jemand ein paar Worte mit ihr wechseln wollte, jeder wollte ein Lächeln der Signorina mit dem silbernen Haar ergattern. Und Xelia hatte für jeden ein Lächeln übrig.
    An der Mauer der überhängenden Terrasse blieb sie stehen und genoss es, für einen Augenblick den Zaungast zu spielen: Wohin sie blickte, sah sie lachende Gesichter. Michael hatte eingeladen, und Dutzende von Gästen waren gekommen. Befreundete Gelehrte, die wie er im sonnigen Meran ihr Zuhause gefunden hatten, ehemalige Kranke, die er geheilt hatte, die Familie der Comtessa, Freunde, Nachbarn. Alle feierten mit, wobei die meisten wahrscheinlich nur einen Grund für das große Fest kannten: Michaels Wiedersehen mit seinem Bruder Adalbert. Dabei gab es so viel mehr zu feiern!
    Es war früher Abend, und die Sonne verschwand als tiefroter Ball in ihrem Nest. Obwohl es erst Anfang März war, war es warm, und die Luft roch so süß wie zu Hause im Mai oder Juni. Xelia schlang die Arme um sich und wiegte sich hin und her. Sie glaubte, ihr Herz müsse im nächsten Augenblick platzen vor Glück.
    Vom anderen Ende des Gartens aus, auf einer kleinen Bank an der Hausmauer sitzend, genoss auch Philip das Fest.
    Michael hatte sich nicht lumpen lassen. Als es hieß, sie würden mit der Willkommensfeier warten, bis es warm genug war, um draußen zu feiern, hatte Philip zuerst geglaubt, dass dies ein Aufschieben bis in alle Ewigkeit bedeutete. Da aber hatte er Michael falsch eingeschätzt!Philip hatte durchgezählt und war auf mehr als hundert Personen gekommen. Hundert Menschen, für die Michael Speis und Trank auftischte! Und nicht das Schlechteste: An zwei Spießen brieten Spanferkel, auf einem Tisch lagen geräucherte Schinken und Würste, von denen Guiseppa jedem dicke Scheiben abschnitt und mit einer Scheibe Brot in die Hand drückte. Zwei junge Weiber liefen unentwegt mit Kannen herum und schenkten dunkelroten Wein aus, dessen Trauben laut Michael in den Weinbergen gediehen, die sie vom Haus aus sehen konnten. Überall standen Schalen mit Nüssen, getrockneten Früchten und Honigkuchen, von allem konnte man sich im Vorübergehen nehmen. Musik gab

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