Die Liebe des Kartographen: Roman
es auch, Lautenklänge mischten sich mit denen einer Mandoline, zusammen mit dem Vogelgezwitscher aus den frisch belaubten Baumkronen erklang die süÃe Melodie des erwachenden Lebens. Auf einmal spürte Philip einen dicken Kloà in seinem Hals. Bald â¦
»Na, was sitzt du hier und sinnierst? Kann sich unser Studiosus nicht einmal auf einer so prächtigen Feier amüsieren?« Adalberts Hand fiel auf Philips Schulter nieder. Seine Worte klangen zwar amüsiert, aber es fehlte ihnen an Schärfe. Er und Philip hatten es irgendwie geschafft, die Spannungen zwischen ihnen aus dem Weg zu räumen. Ob es damit zu tun hatte, dass er Xelias Vater war? Philip wusste es nicht, aber er war nicht böse darüber, dass er kein Verlangen mehr verspürte, unentwegt Worte mit Adalbert zu kreuzen wie Speere.
»Ach, eigentlich geht mir nichts Besonderes durch den Sinn«, antwortete er. »Ich denke nur über das Leben im Allgemeinen und ein wenig auch im Besonderen nach.«
»Nun ja, wennâs weiter nichts ist! Damit hast du von Sokrates bis Melanchthon nicht die schlechteste Gesellschaft.« Adalbert rüttelte kurz an Philips Schulter. »Ich habe trotzdem das Gefühl, dass dich eher etwas im Besonderen plagt.«
Philip lachte. »Und wennâs so wäre? Du kannst mir nicht helfen, glaubâ mir.«
Adalbert schwieg. Eine Weile lang schauten sie stumm dem festlichen Treiben zu. Der Wein und die Musik hatte die ersten Gäste in die Mitte der Terrasse gelockt, wo sie sich an den Händen fassten und im Takt der Musik hin und her tanzten.
»Wie kommst du voran mit deiner Kartenmalerei?«
Philip schaute erstaunt auf. Der alte Fuchs! Adalbert hatte mit seiner Frage den Nagel auf den Kopf getroffen. »Gut. Ich habe fast alles aufgearbeitet, was ich an Skizzen hatte. Der Kirchheimer Forst ist fertig, der Tübinger sowieso, und der Uracher auch. Als Nächstes wäre der Blaubeurener Forst dran, dann der Zwiefaltener und dann â¦Â«Â â er zuckte mit den Schultern â »⦠dann ginge es wieder in Richtung Norden. Schorndorf und so.«
»Du sagst das so, als ob du dir deines Weges nicht sicher seist â¦Â«
Philips Lachen fehlte es wieder an Heiterkeit. »Du sprichst mir aus der Seele! Ich â¦Â« Er hob die Hände in die Luft und lieà sie in einem weiten Bogen wieder fallen. »Ich weià bald gar nichts mehr.« Er zog laut die Nase hoch. »Wo gehöre ich hin? Nach Württemberg? Oder hierher? Zu Xelia? Oder in die Dienste des Herzogs?« Es war ihm anzusehen, wie schwer es ihm fiel, seine Zweifel zuzugeben. »Ich habe das Gefühl, weder ohne das eine noch das andere sein zu können!«
Adalbert nickte mit dem Kopf. »Du stehst vor einer schwierigen Entscheidung. Vor der schwierigsten deines Lebens vielleicht. Ich kann dir dabei wirklich nicht helfen, so gern ich es täte. Nur einen Rat kann ich dir geben: Lass dir Zeit! Auch wenn du glaubst, dass gerade die Zeit dein schlimmster Feind ist! Mit deiner einmal getroffenen Entscheidung wirst du für immer leben müssen. Was machen da ein, zwei Monate hin oder her aus?«
Philips Kopf fuhr herum. Konnte sein alter Lehrer Gedanken lesen? Seit Tagen quälte er sich damit, was seine Obersten in Stuttgart zu seiner langen Abwesenheit wohl sagen würden. Vielleicht war er schon längst kein herzöglicher Kartograph mehr? Vielleicht hatte man ihn schon abgesetzt? Oder für tot erklärt?
»Es gibt nicht nur eine einzige richtige Entscheidung«, fuhr Adalbert fort, als spräche er zu sich selbst. »Glaub mir, jede Entscheidung ist ein wenig richtig und ein wenig falsch. Das macht es sicherlich nicht leichter für dich, aber es wäre dumm, wenn du dich der Illusion hingibst, durch logisches Nachdenken die einzig wahre Wahl treffen zu können.« Sein Blick war skeptisch, als ob er sich nicht sicher sei, die richtigen Worte zu finden. »Es ist keine Schande, das zu fühlen, was du gerade fühlst. Angst und Unsicherheiten gehören zum Leben wie die Geburt und der Tod. Es wäre höchstens eine Schande, vor solchen Gefühlen wegzulaufen, sich ihnen nicht zu stellen. Ich weiÃ, wovon ich rede, glaub mir. Nachdem Lali vor siebzehn Jahren vor den Tübinger Bürgern fliehen musste, rannte auch ich unentwegt vor mir selbst davon.«
Philip nickte. Das war eine Erklärung für Adalberts Rastlosigkeit.
Weitere Kostenlose Bücher