Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
schluchzte. Seine Augen suchten verzweifelt ihren Blick. »Verstehst du nicht, was sie von mir verlangte? Ich sollte mitten in der Nacht mein ganzes Leben aufgeben! Ich sollte mit Sack und Pack weggehen, wohin, wusste Lali selbst nicht. Mir erschien das zu überstürzt. Ich bot ihr an, in meiner Kammer zu bleiben, bis sich die Unruhe um ihre Person gelegt hatte. Ich wollte für sie in die Stadt gehen und schauen, wie die Stimmung war. Ich würde auf sie aufpassen, versprach ich ihr. Und wenn es gar nicht anders ging, würde ich mit ihr von Tübingen weggehen. Aber alles zu seiner Zeit.«
    Xelias erster Impuls, mit ihren geballten Fäusten auf Adalbert einzuschlagen, versiegte. Ihre Nägel bohrten sich in ihr Handinneres, aber sie blieb still sitzen. Was er sagte, klang so vernünftig! So nachvollziehbar! Was sollte sie dem entgegensetzen? Wie sollte sie ihn anklagen, wo sie doch verstehen konnte, was damals in ihm vorgegangen war? Andererseits verstand sie Eulalia noch besser. Ihre Angst in dieser Nacht war so nahe, so greifbar für Xelia, dass sie sich in einer bisher unbekannten Weise mit ihrer Mutter verbunden fühlte. Doch diese Innigkeit schloss Adalbert nicht aus, ganz im Gegenteil. In seiner schonungslosen Offenheit lag etwas Heiliges, Vertrauensvolles. Er flehte nicht um eine Freisprechung von seinen Sünden, sondern erlegte sich die Qualen seiner Vergangenheit nochmals auf. Er hatte nicht wie die meisten Menschen es zu tun pflegten – mit dem Abstand der vielen Jahre seine Vergangenheit geschönt, seine Schuld verharmlost. Stattdessen blieb er bei der Wahrheit, so quälend sie für sie beide auch sein mochte.
    Â»Ich konnte sie in jener Nacht nicht aufhalten. Ich habe alles versucht, aber sie ist gegangen. Als die Tür hinter ihr zuschlug, war mir, als würde der Himmel auf micheinstürzen. Ich rannte in meiner Kammer umher wie ein gefangenes Tier.« Adalbert fuhr sich mit der Hand durch seine weißen Haare. »Sie war noch nicht lange weg, da hielt ich es nicht mehr aus. Ich rannte hinaus in Richtung Stadttor. Sie hatte mir gesagt, dass sie die Wache bestechen wollte, um hinausgelassen zu werden. Ich wollte das Gleiche tun. Ich musste sie noch einmal sprechen!« Er schüttelte den Kopf.
    Xelia legte ihre Hand auf seine Schulter. Adalbert sah auf einmal so alt aus. Sie fühlte sich elend und hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie ihm so viel zumutete.
    Â»Ich holte sie wirklich noch einmal ein, eine halbe Meile außerhalb der Tübinger Stadtgrenze. Wieder flehte ich sie an, dazubleiben, zu warten, bis ich alles geregelt hatte. Einen Augenblick lang hatte ich das Gefühl, sie überredet zu haben. Sie drehte sich zu mir um, ihr Gesicht war so weich und liebenswert wie eh und je, und sie öffnete den Mund, als wolle sie mir zustimmen. Doch dann schien sie es sich im letzten Moment noch einmal zu überlegen. Ich hatte das Gefühl, als würde sie gegen ihre ureigene innere Überzeugung handeln, und sagte ihr das auch. Aber Lali antwortete, dass dem nicht so sei und dass sie ihre Gründe hätte, so zu handeln. ›Wovon redest du?‹, wollte ich wissen, denn sie meinte damit offenbar nicht die aufgebrachte Meute, die ihr in der Stadt auflauerte.«
    Â»Und? Was war das für ein Grund?«
    Adalbert seufzte. Er presste seine Lippen so fest aufeinander, dass sie weiß wurden. »Ich … weiß gar nicht, wie ich es dir sagen soll … Es ist so unglaublich …, es ist so schrecklich und dann auch wieder so …« Er brach ab. Sein ganzer Leib wurde von einem Heulkrampf geschüttelt. Wie ein Kind hielt er die Fäuste vor seine Augen. Trockene Töne kamen tief aus seiner Kehle.
    Xelia fühlte gar nichts mehr. Sie hatte keine gute oder böse Vorahnung, konnte sich nicht im Geringsten vorstellen, was er als nächstes sagen würde. Sie war nur müde.Adalberts Geschichte, die ja zu einem Teil auch ihre Geschichte war, hatte sie genauso erschöpft wie ihn. War Eulalia krank gewesen? Hatte sie sich in einen anderen verliebt? Vielleicht in den Gerber, der in diesem Fall in Tübingen zu Besuch gewesen sein musste? Gleichgültig, was Adalbert erzählen würde, es war vorbei! Die Vergangenheit war vorüber, und Tote sollte man ruhen lassen – an diesem Gedanken richtete Xelia sich auf, hieraus schöpfte sie Kraft. Und die brauchte sie.
    Â»Lali trug ein Kind im Leib!«,

Weitere Kostenlose Bücher