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Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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dem Wallfahrtskreuz genannt? Hatte der Fluss im Winter Hochwasser? Und vor allem: Wie kamen diese Berge von Kot an den Fluss? Lauter Fragen, die er am Abend seinem Wirt im nächsten Ort stellen wollte. Er dachte kurz nach: Eigentlich war es noch früh am Tage. Wenn er sich beeilte, konnte er auf der anderen Seite des Dorfes schon damit beginnen, ein weiteres Stück Land zu vermessen. Dort begannen große Waldgebiete, die zudem sehr hügelig waren. Die Höhenunterschiede würden seine Berechnungen kompliziert machen, und wahrscheinlich würde er nur sehr langsam vorwärtskommen. Doch er konnte es kaum erwarten, mit diesem Gebiet zu beginnen.
    Â»Nein, lassen wir’s für heute gut sein.« Er rollte seine Unterlagen zusammen, steckte sie ein und machte sich in Richtung des Dorfes auf. Nur weg von dem Gestank.
    Es war das erste Mal, dass er schon mittags mit der Arbeit aufhörte, und er fühlte sich seltsam dabei. Nach wenigen Schritten wurde er wieder wankelmütig. Was sollte er einen halben Tag lang in diesem kleinen Dorf? Wenn es sich wenigstens um eine ordentliche Stadt wie Urach oder Blaubeuren handeln würde! Aber Urach lag schon hinter und Blaubeuren noch ein ganzes Stück vor ihm. Bis dahin würde er durch keine größere Ortschaft kommen. Seinen Unterlagen nach musste er sich vielleicht sogar auf ein paar Nächte im Freien einstellen, was er jedoch nicht hoffte. »Und wenn’s so wär’, dann werd’ ich’s auch überleben!« Seine erste Übernachtung in Reutlingen kam ihm in denSinn, und er musste lachen. Wie entsetzt war er damals gewesen, weil er keine eigene Kammer bekommen hatte. Hah! Die Nacht auf dem blanken Wirtshausboden gehörte inzwischen zu seinen angenehmeren Erinnerungen. Wo er in den letzten Wochen schon überall sein Haupt zum Schlafen niedergelegt hatte – er mochte gar nicht daran denken! In vielen Häusern lebten die Leute nicht besser als das Vieh, das mit ihnen hauste. Und ihre Besucher konnten nichts anderes erwarten. Selbst Alois schien widerwillig angesichts des kniehohen Mistes und des vergammelten Heus, das ihm in manchen Häusern als Futter vorgesetzt wurde. Philips Hoffnung, dass sich in jedem Ort mindestens ein angesehener Haushalt finden lassen würde, hatte sich leider nicht erfüllt.
    In Anstetten, dessen Dächer mittlerweile zu sehen waren, sollte es wenigstens eine Badestube geben, zumindest war ihm das von dem Schultes, in dessen Haus er die Nacht zuvor verbracht hatte, gesagt worden. Dabei hatte dieser mit den Augen geblinzelt und ihn vertraulich mit der Schulter angestoßen, als ob die Baderei etwas Anstößiges war. So ein Blödsinn! Aber was konnte man von einem Dörfler schon erwarten?
    Philips Schritt wurde schneller, und Alois verfiel neben ihm in einen unsteten Zockeltrab. Zuerst würde er sich ein Quartier für die Nacht suchen und dann wollte er baden gehen. Wie es manche Reisende wochenlang ohne ein reinigendes Bad aushielten, war ihm unklar. Er konnte es jedenfalls kaum erwarten, in einen Zuber voll heißem Wasser zu steigen und sich von Kopf bis zu den Zehenspitzen kräftig abzubürsten.
    Kaum hatte er die ersten Häuser passiert, hörte er ein lautes Brummen, das vom Dorfplatz herzukommen schien. Er folgte dem Lärm durch die ausgestorbenen Straßen. Das ganze Dorf schien sich auf dem Platz versammelt zu haben. Doch gefeiert wurde nicht, auch wurde kein Schiedsgericht abgehalten. Stattdessen redeten alle aufeinander ein, in lauten, streitbaren Tönen. Einige Weiber weinten. Am Rand des Platzes waren Tische aufgebaut worden, auf denen Flaschen wie Soldaten aufgereiht standen und sich Säckchen mit Pulver türmten. Die Männer hinter den Tischen schienen einen schwunghaften Handel damit zu treiben, doch Philip konnte nicht ausmachen, was sich in den Behältnissen befand.
    Du meine Güte, wo war er da nur hingeraten? Mit Alois am Zügel versuchte Philip, sich einen Weg am Rande der Menge entlangzubahnen. Von überall her trafen ihn feindselige Blicke. Er war es inzwischen gewohnt, in jedem Dorf, in das er kam, misstrauisch beäugt zu werden, doch eine regelrechte Welle von Ablehnung wie diese hier hatte ihn noch nirgendwo erwartet. Wen von diesen aufgebrachten Bauern sollte er wegen eines Quartiers ansprechen? Und wen nach der Badestube fragen? Am liebsten wäre Philip auf der Stelle wieder umgekehrt, doch just in dem Moment, als

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