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Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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konnte, um diesen Traum wahr zu machen.
    Und dann, als Samuel irgendwann einmal seinen Mund auf den ihren presste, erschrak sie kurz, ließ es jedoch geschehen. Der Flaum über seinen Lippen kitzelte in ihrer Nase, doch in der Berührung lag nichts Grobes. Es war nicht so, dass sie irgendetwas Besonderes dabei empfunden hätte, doch Samuel schien Gefallen an der Küsserei zu finden. Von Woche zu Woche presste er seine Lippen fester und länger auf Xelias Mund. Einmal, als er sie so fest im Arm hatte, dass sie sich kaum mehr bewegen konnte, spürte sie etwas Hartes zwischen ihren Lippen und erschrak. Doch im nächsten Moment war dieses Etwas wieder weg, und sie kniff ihre Lippen fester zusammen. Während sie darüber nachsann, ob seine Zunge wohl unabsichtlich zwischen ihre Lippen gekommen war oder nicht, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Der Sohn des Tuchmachers war ein feiner Herr, aber unerfahren, was das andere Geschlecht anging. Er war gierig darauf, Lippen zu küssen, Brüste anzufassen, einen Frauenleib zu erforschen. Solange er das durfte, würde er sich mit ihr treffen. Gleichzeitig würde er nie mehr von ihr verlangen, als sie zu geben bereit war. Nie würde er ihr Gewalt antun, das spürte sie mit untrüglichem Instinkt, sonst hätte sie seine Vertraulichkeiten nicht so einfach hinnehmen können.
    Es dauerte noch einige Wochen, bis er unbeholfen versuchte, ihr das Leibchen über den Kopf zu streifen, und sie ihm dabei half, die Schnüre aufzubinden. Ohne viel Aufsehen streckte sie ihm ihre Brüste entgegen, deren Warzen in der Kühle des Frühlingsabends so fest waren wie zwei noch nicht erblühte Löwenzahnknospen. Über seine nahezu andächtige Miene musste sie beinahe lachen. Was war so Besonderes an ihrer Nacktheit? Ihr kam sie alt und abgenützt vor. Und gewöhnlich. Reglos ließ sie es zu, dass er sie streichelte. Sie empfand nichts dabei, aber sie hatte auch keine Angst davor, dass er ihr Schmerzen bereiten oder Gewalt antun würde. Sie hatte keine Angst vor Samuel. Alles war gut, wenn sie mit Samuel zusammen war. Daran wollte sie fest glauben.

~ 8 ~
    D as darf doch nicht wahr sein!«, entfuhr es Philip. Vor ihm türmten sich Berge mit Unrat auf, um die Abertausende von kleinen Fliegen schwirrten. Das ganze Flussufer entlang lagerten die stinkenden Hügel, teilweise war das leise plätschernde Gewässer gar nicht mehr zu sehen. Auch im Flussbett selbst türmten sich Berge, die er bei näherem Hinsehen als menschliche Fäkalien ausmachte. Pfui Teufel! Er spürte, wie sich ihm der Magen umdrehte.
    Seit dem frühen Morgen, als er mit seinen Messungen begonnen hatte, war er von einem unangenehmen süßlichen Gestank begleitet worden. Zuerst hatte er ihn nur im Unterbewusstsein wahrgenommen – wie immer, wenn er mit seiner Arbeit beschäftigt war, trat alles andere um ihn herum in den Hintergrund. Doch im Laufe des Vormittags hatte er sich durch den Geruch richtig gestört gefühlt. »Jetzt weiß ich auch, warum du hier kein Gras fressen wolltest!« Zum wiederholten Male ertappte er sich dabei, mit dem Pferd, das er irgendwann auf den Namen Alois getauft hatte, zu sprechen. Es blähte seine Nüstern, als wolle es ihm zustimmen. Dutzende von kleinen Mücken flogen um seinen Kopf und setzten sich in seine Augen, die schon ganz gerötet waren. Mit der Hand jagte Philip die Viecher davon. »Wie kommt der ganze Dreck bloß hierher?«, fragte er sich und seufzte. »Es gibt doch kein Haus weit und breit!«
    Du meine Güte! Schon wieder ein Selbstgespräch. »Heißt es nicht, wenn du ein intelligentes Gespräch führen willst, dann rede mit dir selbst?« Philip lachte vor sich hin. »Außerdem, was macht es schon für einen Unterschied, ob ich mit mir oder mit dem Gaul rede!« Er begann, durch den Mund ein- und auszuatmen, um so den ekelerregenden Geruch aus der Nase zu bekommen.
    Dann warf er einen Blick auf seine Unterlagen. Er hatte gut gearbeitet. Bald war es an der Zeit, die ersten Karten ins Reine zu zeichnen. Kein Fleckchen war mehr weiß, alles war mit Linien, Wellen und Symbolen überzogen. Flächenmaße standen neben Distanzangaben, der ganze Blattrand war mit Notizen und vor allem mit Fragen übersät, die für seine spätere Überarbeitung wichtig waren: Hatte der kleine Fichtenwald einen besonderen Namen? Wie wurde der Hügel mit

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