Die Liebe des Kartographen: Roman
Lebensunterhalt beitragen zu können. Einmal nicht das Gefühl zu haben, auf Lenes Wohltätigkeit angewiesen zu sein, war in ihren Augen jede Qual wert. So waren an die vierzig Stücke entstanden, die sie am Vorabend mit gemischten Gefühlen sorgfältig in den Leiterwagen gestapelt hatte. Jetzt, wo der Märzenmakt vor der Tür stand, bekam sie es mit der Angst zu tun. Ob sich auch nur ein einziger Käufer finden würde?
Schon vor über 900 Jahren hatte Kirchheim das Marktrecht inne. Neben dem Gallusmarkt Anfang November, auf dem die Menschen sich für den kommenden Winter eindeckten, war und ist der so genannte Märzenmarkt Anfang März ein weiterer traditioneller Markt im Jahresverlauf. Im Laufe der Jahre wurde das Angebot an Waren immer gröÃer. Als der Markt nicht mehr an einem einzigen Platz abgehalten werden konnte, wies die Stadt einzelne Plätze aus: also gab es den Krautmarkt, den Geflügelmarkt, den Ross- und Strohmarkt und den Schweinemarkt. Ein Teil der heutigen Kirchheimer Stadtplätze trägt noch heute die alten Namen, auch lebt die Jahrhunderte alte Markttradition drei Mal wöchentlich auf dem Obst-, Gemüse- und Blumenmarkt weiter.
Natürlich haben sowohl der Märzen- als auch der Gallusmarkt heutzutage an Wichtigkeit verloren. Aber nochimmer weht zumindest ein Hauch des altertümlichen Flairs durch die Gassen, wenn an über 200 Marktständen allerlei Waren angeboten werden und es nach gebrannten Mandeln, Bratwürsten und heiÃen Maronen duftet. Und wer weiÃ? Vielleicht findet sich in all dem Treiben ein Stand mit Strohtieren, wie einst Marga sie herstellte?
Ich persönlich schätze Kirchheim, weil es eine lebendige Stadt ist. Ganz gleich, ob ich einkaufen gehe oder mich mit Freundinnen zum Frühstücken treffe, ob ich ins Kino will oder wir abends Lust auf ein Viertele Trollinger haben â meist fällt meine Wahl auf Kirchheim Teck. Was natürlich auch damit zusammenhängt, dass das Geschäft meiner Eltern direkt in der FuÃgängerzone liegt und ich jederzeit gern auf einen kleinen Schwatz dort vorbeischaue. Viele meiner langjährigen Leser wissen es längst: Als Kind bin ich im elterlichen Antiquitätengeschäft quasi aufgewachsen! Direkt nach der Schule gingâs ab in den Laden, Hausaufgaben wurden in der Werkstatt gemacht, während nebenan mein Vater alte Schränke restaurierte und Wanduhren wieder zum Laufen brachte. Wenn Leute kamen, um ein antikes Stück zum Verkauf anzubieten, schlich ich mich immer in die Nähe der Ladentheke und lauschte heimlich und mit angehaltenem Atem den Geschichten, die sich um das jeweilige Stück rankten. Schon damals entwickelte ich eine tiefe Liebe zur Historie, schon damals spürte ich, dass »Geschichte« nicht mit Zahlen, Daten und Fakten zusammenhängt, sondern immer mit persönlichen Schicksalen. Der Antiquitätenladen hat sein Gesicht gewandelt und sich der Zeit angepasst. Statt Porzellanpuppen und Biedermeier wird heute vor allem Schmuck verkauft. Aber noch immer besuche ich ihn regelmäÃig, was sich natürlich längst unter meinen Lesern aus der Umgebung herumgesprochen hat. Und so erfülle ich Signierwünsche und Autogrammwünsche meist direkt an Ort und Stelle, inmitten von Schmuck und Preziosen.
Verlassen wir nun die Schwäbische Alb und KirchheimTeck und ziehen wir weiter nach Stuttgart, dem Schauplatz meines Romans Die Zuckerbäckerin . Vielleicht streifen Sie auf Ihrem Weg dorthin Esslingen , welches seltsamerweise bisher noch nicht als Schauplatz in einem meiner Romane aufgetaucht ist. Dabei handelt es sich um eine prächtige Stadt, hinter deren mittelalterlichen Fassaden es sicher auch tausendundeins Geheimnis zu entdecken gibt. Wer weiàâ vielleicht kommen Sie mir zuvor und schreiben einen Bestseller über Esslingen?
Wir jedoch machen an dieser Stelle erst wieder Halt in Bad Cannstatt  â die Cannstatter mögen mir verzeihen, wenn ich es eine Art »Vorort von Stuttgart« nenne.
Erinnern Sie sich an das erste Kapitel aus Die Zuckerbäckerin ?
Die Anhöhe auf dem Rotenberg bei Stuttgart war mit Menschen übersät. Nicht nur aus der Stadt waren sie gekommen, sondern aus dem ganzen Land, um ihre Königin ein letztes Mal zu besuchen. Mehr als ein Jahr war seit ihrem Tod nun schon vergangen, aber noch immer standen Sorge, untröstliche Trauer und Hilflosigkeit in den
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