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Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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aus der Versenkung und begann bereits, die ersten Tautropfen anzustrahlen, als Xelia sich endlich stolpernd in den Wald schleppte. Warum sie das tat, wusste sie nicht. Sie hätte genauso gut neben Samuel sitzen bleiben können, und doch trieb eine unbekannte innere Kraft sie in den Wald hinein.
    Nachdem sie ein Stück gelaufen war, blieb sie stehen und schaute sich um. Plötzlich kam ihr alles fremd vor, als wäre sie noch nie da gewesen. Die alte Eiche vor ihr war nicht mehr der Baum, von dem sie und Anna Rinde geschabt hatten, sondern eine riesige, raue Gestalt, deren Astgewirr auf sie herabzustürzen drohte. Das dunkelgrüne Moos war nicht mehr das weiche Lager, auf dem sie und Samuel sich umarmt hatten, sondern kratzte unter ihren Füßen wie tausend Nadeln. Sie sah keine heilenden Kräuter wachsen, sondern nur die giftigen Beeren der Eberesche, deren rote Dolden ihr zuwinkten und sie anlockten. Eine Hand voll davon in den Mund gestopft – und sie wäre kurze Zeit später auch in dem Reich gewesen, das nun Samuels Heimat war. Es wäre so einfach …
    Sie zwang ihren Blick weg von den verlockenden Früchten, doch der Wald, der bis zum Tag zuvor Zuflucht für sie bedeutet hatte, ein Ort, an dem Glück möglich war, erschien ihr jetzt als Bedrohung.
    Wie von unsichtbaren Fäden gezogen, machten ihre Füße kleine Schritte nach vorn, bis sie vor einem Hügel stand, der ungefähr so hoch war wie sie. Zersetztes Laub vom Vorjahr und neue, noch grüne Blätter hatten sich darauf angesammelt und erinnerten Xelia an eine letzte Ruhestätte, die von niemandem gepflegt wurde, sondern wie ihr Inneres dem Zerfall preisgegeben war. Sie ging um den Hügel herum und entdeckte dahinter eine Vertiefung, die ebenfalls mit Laub ausgekleidet war. War dies vielleicht ihr Grab? Es musste so sein. Müde vom Leben und müde vom Tod, legte sie sich ins modrige Laub und schlief sofort ein.
    Lautes Rufen weckte sie auf. Überall um sie herum hörte sie Menschen. Schreie, lautes Fluchen. Der Lärm passt nicht hierher, schoss ihr als Erstes durch den Kopf. In der Gerberei war es nie laut, und wenn, dann war es nur Feltlin selbst, der schrie und tobte. Andere Stimmen gab es dort nicht. So deutlich sich diese Gedanken in ihrem Kopf formten, gelang es ihr doch nicht, den letzten Schritt vom Schlaf zum Wachsein zu tun. Sie wollte die Augen öffnen, sie spürte, dass sie ihren Kopf freimachen musste für klare Gedanken, aber sie war wie gelähmt. Sie sah eine Schnecke vor sich, die auf dem moosigen Waldboden eine klebrige Spur hinterließ. Die silbrigen Fäden schienen das Tier wie Klebstoff zurückzuhalten, so dass es in seiner Langsamkeit hilflos wirkte.
    Eine Schnecke? Xelia sprang so hastig in die Hocke, dass es in ihren Knien knackte. Wo war sie?
    Jetzt erst kam die Erinnerung zurück. Die letzte Nacht. Samuel, der tot am Waldrand lag. Der Gerber, der ihr die Bluttat anhängen wollte, sollte sie sich noch einmal blickenlassen. Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht. Einige Blätter blieben an ihrer Wange hängen. Und jetzt? Was nun? Sie hätte schon Meilen weg sein können! Eine ganze kostbare Nacht hatte sie verschenkt! Stattdessen saß sie da, untätig und blöd wie ein Opferlamm zum Osterfest, das nichts von seinem ungütigen Schicksal erahnt.
    Â»Hier ist niemand!«, hörte sie es plötzlich direkt hinter dem kleinen Hügel rufen. Sie hielt die Luft an, bis es ihr schwindlig wurde. Sie spürte, wie etwas in ihr linkes Ohr krabbelte, und musste das dringende Bedürfnis unterdrücken, aus dem verwesten Laub aufzutauchen und nach Luft zu schnappen.
    Â»Dann kommt! Wir müssen weiter in Richtung Straße, dort hat noch keiner nachgeschaut«, kam es von weiter links. Xelia gönnte sich einen hastigen Atemzug. Nur ja keinen Mucks von sich geben!
    Â»Das Luder ist doch eh längst über alle Berge!« Der Mann schnaufte, als sei ihm jede Bewegung zu viel. Xelia konnte ihn nicht sehen, aber seine Stimme war klar und deutlich zu hören. »Alles nur vergeudete Zeit! Als ob die Hex’ darauf wartet, von uns gefasst zu werden!«
    Hatte Feltlin sie also beim ersten Hahnenschrei verraten! In Todesangst lauschte Xelia darauf, wie der Mann sich von ihr entfernte. Wenn er sich umdrehte, wenn er seinen Blick ein wenig schweifen ließ, statt sich nur gleichgültig umzuschauen – dann hatte er

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