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Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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sich zu ihr um, riss ihr den Prügel aus der Hand und schwang ihn in die Höhe.
    Im gleichen Augenblick machte Samuel einen Schritt nach vorne in Xelias Richtung.
    Das Holz traf Samuel mit einem dumpfen Schlag am Kopf.
    Ein Unfall? Absicht? Fassungslos sah Xelia Samuels Gestalt zu Boden sinken – wie die Figur eines Puppenspielers, der die Fäden fallen ließ. Ohne noch einmal zu zucken, ohne die kleinste Bewegung blieb er auf dem dunklen Waldboden liegen. Seine rechte Kopfhälfte war seltsam verformt, Blut quoll aus seinem Ohr. Seine Zunge hing grotesk aus dem Mund, bei seinem Sturz musste er wohl darauf gebissen haben.
    Â»Du hast ihn umgebracht.«
    Feltlin starrte wie Xelia auf das leblose, blutende Bündel.
    Â»Du hast ihn getötet«, wiederholte sie und begann, heftig zu keuchen. Ihr war, als würde ihre Brust von einem eisernen Griff umklammert, der immer enger wurde und ihr die Luft nahm. So musste es sich anfühlen, wenn ein Mensch den Verstand verlor. Dieses Gefühl, diese Leere im Kopf, die einen ganz schwindelig machte und nicht mehr richtig denken ließ …
    Langsam, den Prügel immer noch in der Hand haltend, drehte Feltlin sich zu ihr um. »Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Nicht ich habe ihn getötet. Du hast es getan!« Er machte einen Schritt nach hinten, als wolle er den Abstand zwischen ihnen vergrößern. »Du bist schuld an seinem Tod, genau so, als hättest du den Prügel selbst geschwungen!« Mit einem Satz war er dann so nahe bei ihr, dass sie seinen Atem riechen konnte. Er packte sie am Arm und drehte ihn ihr hinter den Rücken, bis sie ihm bewegungslos ausgeliefert war. »Kräuter sammeln! Dass ich nichtlache! Belogen und betrogen hast du mich. Herumgehurt hast du und das auch noch mit dem Juden«, spuckte er ihr ebenso hasserfüllt wie ungläubig ins Gesicht.
    Xelia spürte, wie in ihrem Hals ein dicker Kloß wuchs. Wie sinnlos alles war! Plötzlich vernahm sie ein Lachen, das doch eigentlich ein Weinen sein wollte. Was würde ihr Vater sagen, wenn er von ihrem Gespräch mit Samuel wüsste? Dass Samuel sie gar nicht gewollt hatte? Sie presste die freie Hand auf den Mund und hatte abermals das Gefühl, als würde sie ersticken. An der Wahrheit.
    Â»Du bist es gewesen!« Mit Wucht schleuderte Feltlin das Holz davon und ließ seine Tochter los. »Das sag’ ich jedem, der mich danach fragt! Und jeder wird mir glauben.« Seine Augen bohrten sich wie Schwerter in sie hinein. »Es ist doch klar, was hier passiert ist: Das Bürschchen hat nicht so wollen wie meine durchtriebene Tochter, und da hat sie ihn aus lauter Wut mit dem Prügel totgeschlagen.« Sein Blick forderte sie heraus, ihm zu widersprechen – und sagte ihr doch gleichzeitig, dass er niemals damit rechnete.
    Â»Nie im Leben würd’ ich einen umbringen! Das wissen die Leut’! Das kannst du nicht machen! Ich werd’ ihnen schon sagen, wie’s passiert ist«, brachte Xelia mit dem Mut der Verzweiflung heraus. Sollte er sie doch auch gleich totschlagen, ihr war alles egal.
    Â»Wem glauben die Leut’ wohl mehr? Einem mannstollen Luder oder einem Handwerksmeister, den es bitter reut, mit so einer Tochter geschlagen zu sein?«
    Dass sich vieles für sie ändern würde, damit hatte Xelia gerechnet. Sie hatte auf diesen Tag gehofft, dafür gebetet, ihn heiß ersehnt. Wann immer ihr die Kraft auszugehen drohte, hatte sie neue Stärke aus der Quelle der Hoffnung geschöpft. Bald, bald hat alles ein Ende , war ihre ständig wiederkehrende Litanei gewesen. Nun war alles zu Ende. Feltlin würde sie für immer und ewig in der Hand haben. Im Geist sah sie schon seine bedeutungsschweren Blicke, mit denen er sie erpressen konnte, wann immer es ihm inden Kram passte. Lauf davon! Renn, so schnell und so weit, wie deine Füße dich tragen können! , schrillte es plötzlich in ihrem Kopf. Stattdessen setzte sie sich neben Samuel auf den Boden und hatte das Gefühl, nie mehr aufstehen zu können. Weder im Leben noch im Tod hatte er ihr zu helfen vermocht. Sie war so allein, wie ein Mensch nur sein konnte.
    Feltlins Blick ließ sie nicht mehr los. Von oben bis unten taxierte er sie, immer wieder. Ungläubigkeit stand in seinen Augen, brodelnde Wut, aber auch Ratlosigkeit. Nie hätte er gedacht, dass jemand den Versuch wagen würde, aus seiner kleinen Welt auszubrechen. Zu

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